Xenia Marcici: Nimm mich jetzt (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 24. Februar 2020 20:53

Xenia Marcici
Nimm mich jetzt
Blue Panther Books, 2019, Taschenbuch, 174 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-96477-115-5 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Nach „Nimm mich“ ist „Nimm mich jetzt“ der zweite Kurzgeschichtenband der Autorin Xenia Marcici, die vermutlich unter Pseudonym schreibt. Der vorliegende Titel beinhaltet fünf Storys unterschiedlicher Länge und offeriert eine sechste Erzählung, „Sex im Stau“, die mittels des beigefügten Codes kostenlos im Internet abgerufen werden kann.
„Morgenlust, der wollüstige Morgen“ ist für den Protagonist der optimale Start in den Tag, selbst wenn er nach dem zärtlich-lustvollen Weckvorgang zu spät in die Arbeit kommt.
„Die Mösenwette, erregende Erpressung“ ist die Idee von Martinas Kolleginnen, von denen jede hofft, bei einem gemeinsamen Kollegen als erste zum Zug zu kommen. Ist er auf eine oder gar beide von ihnen scharf und hat deshalb Martinas Einladung auf einen Kaffee abgelehnt? Doch kampflos will sie das Objekt ihrer Begierde nicht den anderen überlassen. Nachdem sie einander endlich näherkommen, wird sie prompt von den Rivalinnen unter Druck gesetzt, die damit drohen, einen beruflichen Fehler aufzudecken, wenn sie sich nicht zurückzieht.
„Der heiße Chef, gequältes Verlangen“ verfolgen eine Angestellte nicht nur in ihren Tag- und Nachtträumen. Als sie erfährt, dass er wieder frei und an ihr interessiert ist, steht dem Glück des Paares die dreiste Tochter des Unternehmensleiters im Weg. Auf einer Dienstreise bringt sie die beiden durch K.-O.-Tropfen in ihre Gewalt und zwingt sie unter massiven Drohungen, an ihren perversen Spielen mitzumachen.
„Sex im Wald, bis zum Anschlag“ treibt ein junges Paar voller Hingabe. Als eine Freundin den gefesselten und mit einer Augenbinde versehenen Partner der Protagonistin mit deep throating verwöhnt, muss Letztere bei ihr und ihrem Freund in die Lehre gehen, um das wiederholen zu können, damit der Gefährte nichts von dem geheimen Spiel erfährt.
„Das Liebeselixier, MösenParfüm“ gewinnt ein gewieftes Paar durch den Akt seiner Kunden, die ganz begeistert sind von diesem tollen Duft. Unverhofft wird ein Scheich mit seinem Harem Großkunde der beiden.
Was zunächst auffällt, ist, dass alle Geschichten aus der Perspektive der männlichen oder weiblichen Hauptfigur geschildert werden. Ferner haben die Charaktere in den seltensten Fällen einen Namen, eigentlich nur, wenn es nicht anders geht, um Verwechslungen zu vermeiden, die sich zwangsläufig ergeben, wenn bei mehreren Personen gleichen Geschlechts immer nur Pronomen oder beschreibende Substantive wie „die Blonde“, „die Schwarzhaarige“, „mein Chef“, „ihr Freund“ und so weiter verwendet werden. Dadurch kann sich die Leserschaft in die Rolle der Hauptfigur versetzen und die übrigen Rollen mit Gesichtern aus dem eigenen Umfeld oder Phantasie versehen.
Die Geschehnisse sind in einen nachvollziehbaren Alltag eingebettet: Die Charaktere gehen einem Beruf nach, befinden sich in einer Beziehung oder streben eine an, wobei der love interest bereits entdeckt wurde. Sex ist allen Beteiligten sehr wichtig, und wenn gerade kein Mann zur Verfügung steht, greift die aktive, in alle Richtungen offene Frau zu Dildo & Co. Die Paare haben ihren Spaß miteinander und erweitern stetig ihr Spiel-Repertoire beziehungsweise sind sich die frisch Verliebten schnell einig. Konflikte gibt es nur, wenn sich Rivalinnen einmischen.
Eine richtige Handlung ergibt sich daraus allerdings nicht, sondern lediglich ein Handlungsgerüst, in dem die Hauptfigur ihrer Tätigkeit nachgeht, von ihrem (zukünftigen) Partner träumt, mit ihm oder ihrem Dildo Sex hat und sich mit Nebenbuhlerinnen herum ärgern muss. In „Morgenlust“ und „Das Liebeselixier“, den kürzesten Beiträgen, beschreibt ein ‚Er‘ seine Lust und ein lustvolles Geschäftsmodell. In „Die Mösenwette“ und „Der heiße Chef“ kämpft jeweils ein gerade zusammengekommenes Paar gegen die fiesen Kolleginnen um ihr junges Glück, natürlich mit Sex. In „Sex im Wald“ steht eine bestimmte Praktik im Mittelpunkt.
Die Charakterisierungen gehen nicht in die Tiefe. Die Guten sind gut, attraktiv und machen tollen Sex. Die Bösen sind böse, ebenfalls attraktiv und machen gleichfalls tollen Sex. Die Spannbreite reicht von Voyeurismus über Selbstbefriedigung, Bondage, Anal, den Einsatz von Sex-Toys bis hin zu Gruppensex und Natursektspielen. Die Wortwahl ist entsprechend deftig.
Manche Schilderungen sind bereits grenzwertig, und zwar dann, wenn der Sex nicht einvernehmlich, sondern unter Zwang stattfindet - und dies die Opfer sogar noch besonders antörnt, durch die Angst um sich und den Partner und aufgrund der Praktiken, derer sie sich nicht erwehren können, wobei keiner tatsächlich auf SM stehen. Gerade in „Die Mösenwette“ und „Der heiße Chef“, aber auch in „Sex im Wald“ wird die Hilflosigkeit einiger Beteiligter ausgenutzt und in „Der heiße Chef“ die zweifache Vergewaltigung sogar vollzogen. Das ist schon sehr hart, zumal eine kritische Betrachtung lediglich am Rande stattfindet.
Was stilistisch das Lese-Vergnügen trübt, ist, dass die Autorin ihre Texte nahezu an einem Stück herunter rattert und selbst da, wo ein Absatz sinnvoll wäre und die Lesbarkeit verbessern würde, darauf verzichtet. Manchmal werden darüber sogar die Beistriche bei der wörtlichen Rede vergessen. Hinzu kommen umgangssprachliche Ausdrücke, Wortdreher und Wortauslassungen. Es ist, als habe Xenia Marcici ihre Geschichten atemlos in ein Diktafon gesprochen und die Spracherkennung alles aufgezeichnet; danach wurde kurz drüber gelesen, ausgedruckt, das Manuskript eingereicht, fertig. Falls ein Lektorat stattgefunden hat, muss man annehmen, dass die Fehlerquote immens hoch war, wenn noch so viel zu bemängeln übrigblieb.
Wenn es jemandem bloß um deftigen Sex in allen möglichen Varianten geht und ihm stilistische/sprachliche Feinheiten egal sind, wird der Betreffende das Buch in Ordnung finden. Legt man hingegen Wert auf einen überzeugenden Inhalt mit wenigstens einem Minimum an Handlung und Charakter-Aufbau sowie eine angemessene Sprache und einen mitreißenden Stil, findet man im reichhaltigen Programm von Blue Panther Books viele Titel, die in beiden Bereichen deutlich mehr Spaß machen.