Jay Kristoff: Die Rache - Nevernight 3 (Buch)

Jay Kristoff
Die Rache
Nevernight 3
Übersetzung: Kirsten Borchardt
Titelbild: Jason Chan
Tor, 2020, Hardcover, 778 Seiten, 24,99 EUR, ISBN 3-596-70358-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Sie gehörten zu denen, die auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden. Die Rede ist von Mia und ihrem Bruder Jonnen, die als Kinder des gefeierten Generals der Republik eine prächtige Zukunft vor Augen hatten. Dann rebellierte ihr Vater, verriet seinem Geliebten zuliebe die Verfassung und wurde erhängt. Seine Frau und Sohn wurden eingekerkert und sollten elendig zugrunde gehen. Für Mia hatte Konsul Scaevas ein feuchtes Grab vorgesehen, das ihr junges Leben endgültig beenden sollte.

Doch es kam - alles - anders. Mia entkam mit Hilfe des Dunkelsinns dem Mordanschlag, schloss sich später dem Assassinenorden an, bevor sie als Gladiatorin Karriere machte. Ihr Ziel, den Konsul und den obersten Priester der Aa zu meucheln und so Rache für das erlittene Unrecht zu üben schien sie erreicht zu haben, selbst ihren totgeglaubten Bruder entriss sie dem sterbenden Konsul.

Ihre Flucht aber steht unter keinem guten Stern. Satt des Konsuls hat ihr Dolch aus dem Gebein des gestürzten Gottes das Herz eines magisch geschaffenen Doppelgängers gespalten, der Hochkonsul kürt sich selbst zum Imperator. Und dieser, der sich als wahrer Vater von Mia und ihrem Bruder entpuppt, hat noch Großes vor.

Zunächst will er mit allen Mitteln seinen Erben zurück, dann den gefallenen Gott in seiner Person wieder auferstehen lassen. Beides Ziele, die Mia nicht zulassen kann - und damit gerät sie einmal mehr ins Visier des mächtigsten Mannes ihrer Welt…


Hurra, eine der erfolgreichsten und packendsten High-Fantasy-Trilogien der letzten Jahre geht in ihre Zielgerade. Wird Jay Kristoff es schaffen, seinen Plot rundum zufrieden abzuschließen, wird er das Tempo und das Niveau halten können? Das waren die Fragen, die mich vor Beginn der Lektüre umtrieben.

Nun, zunächst einmal setzt der Autor da an, wo er im Mittelband geendet hat. Sprich, es geht ebenso atemberaubend rasant weiter wie bislang, der Action-Anteil bleibt megahoch, Verwicklungen und Geheimnisse gibt es ebenfalls satt.

Dass die Grundanlage fast ein wenig an eine Telenovela erinnert mit all den emotionalen Verwerfungen und aus dem Grab zurückgekehrten Liebhabern, gleichgeschlechtlichen Beziehungen und Verwandtschaftsverhältnissen, die sich offenbaren - geschenkt.

Daneben verwöhnt uns der Autor nämlich mit Piraten, zürnenden Göttern, Riesenkraken und Schattenläufern und einem wahren Widerling als Antagonist.

Dazu erzählt er seine Geschichte einer jungen Frau, die allen Anfeindungen und Schicksalsschlägen zum Trotz ihre Integrität behält, weiter. Neben den wiederum eingestreuten, in einem sehr lakonisch-ironischen Stil ausgeführten Fußnoten zeigt sich uns eine junge Frau, die bereit ist zur Selbstreflektion und Kritik. Das heißt aber beileibe nicht, dass sie nicht auch stur wie ein Maultier sein kann, insbesondere dann, wenn es darum geht, für erlittenes Unrecht Rache zu fordern oder ihre Freunde zu verteidigen. Bestes Helden-Futter also, in deren Haut wir als Leser gerne und mühelos schlüpfen.

Dass ihre Pläne ein ums andere Mal über den Haufen geworfen werden - der Autor und ihr Schicksal sorgen schon dafür, dass es Mia nicht langweilig wird -, hindert sie nicht daran, weiter ihr Bestes zu geben.

Ziemlich zum Finale hin bleibt dann sogar noch Zeit für ein wenig Moral: Waren die Opfer, die Mia auf ihrem Weg tot oder verwundet hinter sich gelassen hat, gerechtfertigt? Ist es zulässig, zum Vermeiden eines großen Unheils anderen, Unschuldigen, zu schaden? Verglichen mit dem Mittelband sind diese tiefgreifenderen Gedanken zwar nicht mehr ganz so präsent, aber dennoch wichtig, verleihen sie dem Plot doch Tiefe und Ernsthaftigkeit.

Insgesamt also ein rundes, nicht ganz triumphales aber befriedigendes Ende einer Trilogie, die das Zeug dazu hat ein moderner Klassiker des Genres zu werden.