Catwoman 1 (Comic)

Joëlle Jones
Catwoman 1
Catwoman Vol. 5, 1-6, 2018/2019)
Übersetzung: Carolin Hidalgo
Titelbild: Stanley Lau
Zeichnungen: Joëlle Jones, Fernando Blanco
Panini, 2019, Paperback, 148 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-7416-1281-7

Rezension von Irene Salzmann

Die Handlung der neuen „Catwoman“-Serie knüpft an jene Ereignisse an, die das „Hochzeitsalbum“ schildert: Nachdem Catwoman/Selina Kyle und Batman/Bruce Wayne einander das Ja-Wort geben wollten, verschwindet Selina im letzten Moment vor der Trauung. Obwohl sie sich nichts sehnlicher wünscht, als ein Leben an der Seite des Mannes zu führen, den sie liebt, kommt sie zu dem Schluss, dass all die Menschen in Not ihren Beschützer, den Dunklen Ritter, behalten müssen, der er nicht mehr wäre, wenn sie ihn glücklich macht.

 

Um Abstand von dieser persönlichen Tragödie zu nehmen, verlässt Selina Gotham und reist in das kalifornische Villa Hermosa, um nach ihrer Schwester Magdalene zu sehen, die sich in einem Sanatorium von einem traumatischen Erlebnis erholt. Das Auftauchen von Catwoman erregt die Aufmerksamkeit der Creels, die in dem Ort den Ton angeben. Plötzlich will die Polizei die Besucherin verhaften, weil sie angeblich zwei Cops getötet hat. Catwoman ergreift die Flucht und folgt einer Spur, an deren Ende sie einem ganzen Nest voller „Copycats“ gegenüber steht, die in ihrem Kostüm und Namen Verbrechen begehen. Die Doppelgängerinnen und auch Magdalene führen Catwoman zu Raina Creel und ihren perfiden Plänen.


Joëlle Jones‘ („Supergirl: Being Super“, „Fables“, „Batman“) „Catwoman“, deren Geschichte sie schreibt und mit der Unterstützung von Fernando Blanco („Pandora“, „Batman Eternal“, „Ich, der Vampir“) auch illustriert, ist wieder die Einzelgängerin von früher, die sich vor Ort mit wenigen Vertrauten umgibt, welche nicht aktiv in ihre Angelegenheiten eingreifen, sie jedoch unterstützen, indem sie ihr Unterkunft gewähren und notwendige Dinge organisieren.

Wie es nach der Trennung von Batman weitergehen wird, weiß die Hauptfigur noch nicht. In erster Linie will sie alles hinter sich lassen, nicht unbedingt wieder als Diebin von sich reden machen und vielleicht ein wenig Ordnung in einen anderen Teil ihres Lebens bringen. Selina möchte sich um ihre Schwester kümmern, an deren Schicksal sie sich schuldig fühlt. Das Treiben der Creels interessiert sie nicht.

Erst als Raina Creel Catwoman zu zwingen versucht, für sie zu arbeiten, und Magdalena unter Drogen gesetzt werden soll, geht sie gegen den Clan und korrupte Polizisten vor. Als Leser erfährt man dabei wesentlich mehr als die Titelheldin, deren Lebenslauf ebenso durch Rückblenden dem ihrer neuen Feindin gegenübergestellt wird wie ihre jeweiligen aktuellen Handlungen.

Während Catwoman für ein besseres Leben und das eigene Überleben sowie das ihrer Schwester kämpft, ohne anderen bleibenden Schaden zufügen zu wollen, nutzt Raina skrupellos ihre Möglichkeiten, indem sie andere manipuliert, diskreditiert, betrügt und sogar ermordet, um schließlich alle Fäden der Macht in ihren Händen zu halten - und mehr.

Catwoman erbringt Opfer, Raina macht andere zu ihren Opfern, angefangen von einflussreichen Personen, die auf Rainas Versprechen hereinfallen beziehungsweise von ihr erpresst werden, bis hin zur eigenen Familie.

Das Beispiel der Antagonistin zeigt, dass Catwomans Werdegang ganz anders hätte verlaufen können, wenn sie sich ihre Menschlichkeit und einen gewissen Ehrenkodex nicht bewahrt hätte. Obwohl sie am Boden zerstört ist und es mit aggressiven Gegnern zu tun bekommt, mit denen sie nicht gerechnet hat, schöpft sie Kraft aus dem Willen, ihre Schwester zu beschützen und sich nicht einer grausamen Frau wie Raina geschlagen zu geben.

Ganz nebenbei wird mit Will Saito ein junger Cop eingeführt, der die Korruption in seiner Behörde nicht unterstützt, vor den Creels nicht kuscht und sich für Catwoman interessiert. Man mag ein paar aufsteigende Schmetterlinge erahnen, doch ist es schwer vorstellbar, dass Selina nach Bruce allzu bald einen Flirt anfängt.

Die Zeichnungen im Innenteil weisen nicht dieselbe Qualität des Covers von Stanley Lau auf, auf dem Catwoman idealistisch-realistisch abgebildet ist. Freilich kann kaum ein Künstler bei den Panels den gleichen Aufwand betreiben wie bei einem Titelbild. Die mehr comichaften Pencils von Joëlle Jordan (ausgenommen die Rückblenden mit kräftigem Strich und runderen Formen von Fernando Blanco) sind kantig und ausdrucksstark, die Proportionen und Perspektiven tadellos. Dennoch empfindet man die Stanley-Lau-Galerie am Ende des Bandes mit den fotorealistischen Variant-Titelbilder als wahren Augenschmaus und hätte gern mehr davon (ein Blick auf die Homepage mit teils digitalem, teils traditionellem Artwork, lohnt sich).

„Catwoman“ 1 bietet ein neues, relativ in sich abgeschlossenes Abenteuer in sechs Teilen, das alles hat, was man sich von einem spannenden Comic wünscht: eine toughe Heldin, die trotz alle Widrigkeiten nicht aufgibt und sich weigert, (wieder) auf die dunkle Seite zu wechseln, eine auf optische und charakterliche starke Kontraste angelegte Gegnerin, bei der man spontan an „Das Bildnis des Dorian Gray“ denkt, weil sie innerlich und äußerlich verrottet ist, Drama, Action und ansprechende Zeichnungen. Der Auftakt macht neugierig, wie es weitergeht.