Philip Reeve: Die verlorene Stadt - Mortal Engines 4 (Buch)

Philip Reeve
Die verlorene Stadt
Mortal Engines 4
(A Darkling Plain, 2006)
Übersetzung: Nadine Püschel und Gesine Schröder
Titelbild: Ian McQue
Tor, 2019, Taschenbuch, 576 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-596-70215-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Entgegen allen Befürchtungen hat es Tor tatsächlich geschafft, alle vier Kernbände der wunderbaren Serie um die Mortal Engines zu veröffentlichen, ohne die Serie (wie dereinst bereits zweimal passiert) abzubrechen. Leider ist nach wie vor wohl nicht absehbar, ob die drei Prequel-Bände und/oder der Storyband noch in Deutschland erscheinen (obwohl der Verkauf bisher wohl recht zufriedenstellend lief, erscheint eine weitere Veröffentlichung zum Beispiel der Prequel-Bände wohl eher unwahrscheinlich, wenn auch noch nicht ausgeschlossen, so verlautet es aus der Pressestelle des Verlags).

Zum Abschluss fährt Reeve noch einmal alles auf, was die Serie zu bieten hatte. Kein Wunder, dass der vierte Band mit fast 600 Seiten deutlich voluminöser geraten ist als die Vorgängerbände. Aber Reeve hat auch noch wirklich viel zu erzählen, er bringt alle Handlungsfäden und Figuren nochmals in dieser Erzählung unter und vor allem, trotz der vielen Seiten, ihm gelingt ein fulminantes und durchgängig spannendes Ende, welches die Serie erneut aufwertet. Mit Ausnahme des zweiten Bandes, der leicht abfiel, gelingt dem Autor somit eine der herausragendsten SF-Serien (auch Fischer Tor sie als Fantasy-Serie bewirbt) der letzten beiden Jahrzehnte mit einem guten und drei sehr guten Büchern.


Zur Handlung: Während es dem jungen Fishcake gelungen ist, den Stalker, der aus Anna Fang entwickelt wurde, zu retten und wieder zusammen zu setzten, rettet Theo Ngoni der Frau von General Naga, dem Führer des grünen Sturms, das Leben. Diese hatte ihren Mann überzeugen können, Frieden mit den Feinden von den Traktionsstädten zu schließen und dem gegenseitigen Dezimieren zwischenzeitlich ein Ende zu setzen. Mit ihrem Ziel, die Erde wieder grün zu machen und die Menschen wieder zur Festansiedlung zu bewegen, befindet der grüne Sturm sich sicherlich auf einem nachhaltigen und nachvollziehbaren Weg.

Währenddessen besucht Wren mit ihrem Vater Tom Natsworthy die Trümmer des zerstörten London und beide entdecken, dass die dortigen Ingenieure eine Lösung für einige Probleme der Menschheit entwickelt haben, indem sie eine schwebende Stadt konstruiert haben.

Als General Nagas Frau entführt wird und der sie begleitende Theo Ngoni schwer verletzt, tauchen zufällig ausgerechnet Hester Natsworthy und der sie begleitende Shrike auf, um den jungen Mann zu retten.

Ohne Nagas Frau beginnt der Krieg erneut und alle fallen wieder übereinander her. Zur gleichen Zeit wird im Orbit um die Erde ein altes Relikt aktiviert, welches das Schicksal der Menschheit für immer besiegeln könnte. Nach und nach begreifen die meisten: Es gibt nur noch zwei Seiten und alle, die die Menschheit retten wollen, stehen somit auf der gleichen Seite. Doch wer plant hier eigentlich die komplette Auslöschung der gesamten Menschheit…?


Bis zum Schluss bleibt offen, welche Seite sich durchsetzt und man kann als Leser sogar der defätistischen, menschenhassenden Seite durchaus verständliche Sichtweisen zubilligen. Doch wäre es wirklich gut „das Kind mit dem Bade auszuschütten“?

Trotz des größeren Volumens des vierten Bandes gelingt Autor Philip Reeve ein atemberaubendes und packendes Abenteuer, welches einen kaum vor der letzten Seite aus den Fängen lässt.

Liebevolle Anspielungen wie zum Beispiel die Hommage an eine berühmte Filmszene gegen Ende der Geschichte (John Boormans Meisterwerk „Zardoz“ beziehungsweise dessen legendäre Schluss-Szene, die sogar schon bei den Simpsons mit einer Hommage geadelt wurde, taucht hier unverhohlen auf) sorgen dafür, dass der Abschluss der Geschichte nicht zu sentimental wird (obwohl, etwas rührselig wird es trotzdem!).

„Mortal Engines“ ist eine Serie, die leider viel zu früh endet, aber damit dem Prinzip folgt, aufzuhören, so lange es am Schönsten ist. Dies beherzigt der Autor zumindest für den Handlungsstrang um die Familie Natsworthy und all ihre Freunde, Bekannte, Verbündete und Halbfeinde. Und das ist auch gut so!

Trotzdem würde man vielleicht gerne noch mehr Abenteuer aus dieser verrückten Zukunftswelt lesen, in der Städte Raupenketten haben und bei der Jagd nach anderen Städten über eine verheerte Erde der Zukunft ziehen; in der das Überleben des Menschen ein ständiger Kampf ist und kaum noch jemand daran denkt, allen Menschen das Leben zu erleichtern oder alle zu einem großen Frieden zusammen zu führen, damit technische Entwicklungen den Menschen das Leben wieder erleichtern und nicht länger zerstören. Und da es ja weitere Bände gibt...?!

Wie heißt der Spruch: Die Hoffnung stirbt zuletzt! (Und für Pessimisten: Aber sie stirbt!).