Maja Ilisch: Das gefälschte Siegel - Die Nerval-Sage 1 (Buch)

Maja Ilisch
Das gefälschte Siegel
Die Nerval-Sage 1
Titelbild: Max Meinzold
Hobbit Presse, 2019, Hardcover, 486 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-608-96030-3 (auch als eBook erhältich)

Rezension von Carsten Kuhr

Jahrhunderte ist es mittlerweile her, dass der Dämon das Land beherrscht und dessen Bewohner geknechtet hat. Der Aufstand der Menschen und der mit diesen verbündeten Alfeyn hat die Bedrohung ausgeschaltet, der Dämon wurde gebannt.

Eine Siegelrolle aus der Haut des Dämons, und mit seinem Blut geschrieben, dient dem Unhold als marterndes Gefängnis. Seit Jahrhunderten wachen die Familie Damarel und ihre steinernen Wächter über die Rolle - bis der jüngste von fünf Prinzen entdecken muss, dass die Rolle, die die Wächter bewachen gefälscht ist und das Original entwendet wurde.

 

Um bei Bekanntwerden des Diebstahls eine Massenpanik zu vermeiden, lässt der Prinz von einem dem Wein verfallenen Fälscher eine weitere Replike anfertigen - und macht sich, begleitet von einem ehemaligen steinernen Wächter, einer eingebildeten Jungmagierin und des versoffenen Fälschers auf den Weg zu den Alfeyn.


Questen-Fantasy, so nennt man die Spielart, in die vorliegender Roman unschwer einzuordnen ist. Seit Tolkiens „Der Herr der Ringe“ kennen und schätzen Leser weltweit die Abenteuer einer bunt zusammengewürfelten Truppe, die auszieht das Böse zu bekämpfen und Unheil zu verhindern.

Allerdings macht es sich die Autorin nicht ganz so einfach, wie erwartet. Statt uns den bekannten, ja abgelutschten jugendlichen Helden aus einer Prophezeiung zu offerieren, baut sie ihre Abenteurer-Truppe etwas anders, letztlich interessanter auf.

Da gibt es zunächst einen von seinen älteren Brüdern gepiesackten Prinzen. Kämpfen kann dieser nicht, zaubern auch nicht, dafür ist er hübsch anzusehen und ein Meister darin, andere zu manipulieren. Nicht unbedingt eine positiv besetzte Eigenschaft - das soll unser Held sein? Oder ein Fälscher, einst bei der Diebesgilde angestellt, seit der Ermordung seines Zwillingsbruders ein hemmungsloser Säufer ohne jegliche Selbstachtung und von Angst und Alpträumen geplagt - ist dies etwa unser Held? Eine junge, eingebildete und höchst naive angehende Magierin, die meint in den Prinzen verliebt zu sein und sich gern von diesem an der Nase herumführen lässt, ist auch nicht wirklich eine griffige Protagonistin. Bleibt also noch der Kämpfer - ein altgedienter Steinwächter, der sich ähnlich wie die Magierin in den Prinzen verliebt hat. Dass er seine Dummheit erkennt, dass ihm bewusst ist, dass und wie er manipuliert wird, er daraus aber keine Konsequenzen zieht, spricht nun auch nicht unbedingt für ihn.

Hm, wer bleibt dann noch als Held? Richtig, niemand. Das ist - nun, nennen wir es einmal ungewöhnlich. Ich fand also keine der handlungsrelevanten Figuren so sympathisch, dass ich in ihre oder seine Haut schlüpfen wollte. Dennoch aber folgte ich dem Plot gerne.

Woran das lag, möchten Sie wissen? Zum einen daran, dass die Autorin recht versiert mit meiner Erwartungshaltung spielt. Die Versatzstücke des gängigen High-Fantasy-Epos sind vorhanden, nur werden sie ein wenig abgewandelt und verfremdet.

Dazu kommt, dass Ilisch den Leser immer wieder ködert - sie macht Andeutungen, der Leser meint, dass er den Fortgang der Handlung vorhersagen könne, allein, dann nimmt diese doch wieder eine andere, unerwartete Abzweigung. Dass sie ihre Handlung mit einem Cliffhanger der nägelkauenden Art beendet, hält die Spannung auf die Fortsetzung hoch.

So beweist die Autorin, stilistisch solide ausgearbeitet und ebenso flüssig wie spannend zu lesen, dass sie zu erzählen und zu unterhalten weiß - Fortsetzung folgt hoffentlich bald.