ZE 1 (Comic)

Yuki Shimizu
ZE 1
Aus dem Japanischen von Stefan Hofmeister
EMA, 2010, Taschenbuch, 196 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-7704-7293-2

Irene Salzmann

Nach dem Tod seiner Großmutter ist Raizo Shichikawa obdachlos, da er die Erbschaftssteuer nicht bezahlen kann. Verwandte oder Freunde, die ihm helfen würden, hat er keine. Darum nimmt er eine Stelle als Haushaltshilfe an, um ein Dach über dem Kopf zu haben und eine Ausbildung als Koch machen zu können.

Die Bewohner des Hauses, in dem er unterkommt, betrachten den Neuzugang recht skeptisch, und einige von ihnen machen keinen Hehl daraus, dass es ihnen lieber wäre, Raizo würde sogleich wieder verschwinden. Der junge Mann bewahrt jedoch Ruhe und bemüht sich nach besten Kräften, die Mitbewohner von seinen Qualitäten zu überzeugen. Das ist jedoch noch das Wenigste, denn schon bald muss Raizo mitansehen, wie Konoe einen Arm verliert, ohne zu bluten. Gleich darauf ist der Arm wieder an Ort und Stelle, und Konoe scheint es gut zu gehen. Raizo versteht die Welt die mehr. Jetzt müssen die anderen ihn in ihr Geheimnis einweihen: Waki Yoshiwara ist eine Art ‚Puppenmacher‘. Während die Mitos, Oka und Konoha, als Kotodama arbeiten, d. h., im Auftrag ihrer Klienten Flüche aussprechen, die auf sie zurückfallen, nehmen ihre Kami Konoe und Benio, die von Waki aus Papier gemacht wurden, den Schaden auf sich. Der Austausch von Körperflüssigkeiten heilt die Wunden. Kon, der Raizo immer noch unfreundlich behandelt, ist ein Kami ohne Kotodama und fühlt sich besonders nutzlos, seit der Neuling den Haushalt erledigt. Plötzlich taucht ein Fremder mit Fuchsmaske auf und bittet Raizo, sich um Kon zu kümmern. Das scheint auch wirklich notwendig zu sein, denn nachdem diesem beinahe Gewalt angetan worden wäre, will Waki keine Kunden mehr für ihn annehmen. Das bedrückt Kon noch mehr, woraufhin Raizo spontan erklärt, dass er Kons Kotodama sein möchte, ohne wirklich zu wissen, worauf er sich einlässt …

Yuki Shimizu landete gleich mit ihrer ersten Serie „Love Mode“ (1995) einen Volltreffer, dabei, so sagt sie, mochte sie Boys Love lange Zeit überhaupt nicht und entwickelte erst unmittelbar, bevor sie mit der Arbeit an diesem Titel begann, durch das „June“-Magazin, Interesse an dem Genre. Obwohl die Künstlerin noch einige weitere Reihen zeichnete und Novels illustrierte, sind diese Werke in Deutschland nahezu unbekannt, darunter „The Man Who Doesn’t Take Off His Clothes“, „Don’t Worry Mama“, „Lover‘s Mode“. Erst mit „ZE“ gelangte nun wieder eine Serie von Yuki Shimizu in die Regale der hiesigen Buch- und Comichändler. Von der Serie liegen in Japan derzeit neun Bände und ein Fan-Book vor; die Reihe ist noch nicht abgeschlossen.

Yuki Shimizu greift bei „ZE“ auf japanische Mythen und den Geisterglauben zurück, demzufolge es Menschen gibt, die Kraft ihres Willens heilen oder den Tod bringen können. Die Familie Mito besitzt die Fähigkeit, böse Flüche auszusprechen. Da der Absender diese zurückerhält, steht jedem der Männer und Frauen ein Geist desselben Geschlechts zur Seite, der den Fluch auf sich nimmt. Da ein Kami ‚nur‘ ein Stück Papier ist und repariert werden kann, machen sich viele Kunden wenig Gedanken darüber, was sie durch ihre Aufträge dem Kotodama und mehr noch seinem Kami antun.

Hauptfigur Raizo hat von all dem überhaupt keine Ahnung und ist erst einmal bekümmert, weil ihm die meisten Kami mit Misstrauen begegnen. Auch die seltsamen Gepflogenheiten der deutlich erkennbaren Paare verwirren ihn, wobei Oka ihn am meisten verunsichert. Mit seinem Zimmergenossen Kon würde Raizo gern gut auskommen, doch dieser lehnt ihn rundweg ab, und immer wenn es scheint, als würde sich ihr Verhältnis bessern, zieht sich Kon sofort wieder zurück. Trotzdem ist er derjenige, der Raizos Aufmerksamkeit immer wieder auf sich zieht. Nachdem beinahe etwas Schlimmes passiert wäre, möchte Raizo Kon beschützen und ihm klar machen, dass es keine Rolle spielt, ob jemand ein Mensch oder ein Kami ist, dass Letztere genauso ein Anrecht auf ein glückliches Leben und Freude haben und nicht die Nützlichkeit das Entscheidende ist. Kon fängt zwar zu grübeln an, aber er ist noch weit davon entfernt, seine negative Einstellung aufzugeben, sich ‚menschliche‘ Gefühle zu erlauben und Raizo wirklich an sich heranzulassen. Aber auch andere haben Probleme und sorgen mit diesen für neuen Wirbel im Haus von Waki Yoshiwara.

Die Grundstimmung in „ZE“ ist heiter und chaotisch. Dazwischen fließen aber auch immer ernste Töne, sobald sich die Handlung auf die gefährliche Arbeit von Kotodama und Kami oder Kons Selbstzweifel konzentriert – wobei man kein Geist aus Papier sein muss, um ähnliche Überlegungen wie Kon zu haben: Wer sich in der Gesellschaft nicht nützlich macht oder nicht der so genannten Norm entspricht, hat einen schweren Stand. Doch in erster Linie will Yuki Shimizu mit einer phantastischen Geschichte unterhalten, in der man Boys Love und Yuri Seite an Seite findet. Die entsprechenden Szenen sind nicht allzu explizit, aber von einem Hauch BDSM umgeben, und in den kommenden Bänden mag einiges mehr passieren.

Die Illustrationen sind ansprechend, personenbezogen, oft detailreich. Im Vergleich zu „Love Mode“ hat sich die Künstlerin deutlich weiterentwickelt.

„Ze“ wendet sich an Genre-Fans ab 16 Jahre, die den Mix aus Fantasy, Romance, Drama und Comedy mögen, dabei BL und Yuri gleichermaßen tolerieren. Hat man Spaß an Titeln wie „Yami no Matsuei“, „Taisho Era Chronicle“ oder „Butterfly“, wird man auch hier gern hineinschauen wollen.