U. L. Brich: Mords-Happen 2 (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 28. Februar 2019 15:18
U. L. Brich
Mords-Happen 2
Electric Book Print, 2017, Taschenbuch, 204 Seiten, 8,99 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Uwe Voehl
Der Autor ist kein Mann der leisen Töne. Schon das Cover, unästhetisch wie es ist, haut den Betrachter voll in die Fresse. Gäbe es einen Preis dafür, würde es wohl den ersten Platz erringen - in der Kategorie Schlechtestes Cover aller Zeiten eines selbstverlegten Buches. Aber dort, wo der Autor herkommt, mag man es halt ein wenig deftiger und rauer. Insofern: Passt schon!
Die Story-Sammlung mit sieben Geschichten schlägt mitunter in die gleiche Kerbe, weiß aber auch zu überraschen, und U. L. Brich beherrscht durchaus auch die leiseren Töne. Wer, wie ich, den Autor schätzt und auch bei Lesungen bereits erlebt hat, weiß dies eh. Andere, die vielleicht nur den schnellen Thrill suchen, werden eher erstaunt sein.
So erzählt gleich die erste Geschichte, „Der Fliegenjunge“, vordergründig eine eklige Geschichte über einen Schüler, der sich im Biologie-Unterricht ausgerechnet das Thema „Leicheninsekten“ als Facharbeit auswählt, dabei aber nur seinen sadistischen Trieben folgt. Bei näherer Lektüre zeigt sich die Ausarbeitung einer sensiblen jugendlichen Seele an der Schwelle zum Erwachsenwerden und zwar genau an der Abzweigung, wo es dann halt schiefläuft.
„Der Anhalter“ ist - wie sollte es anders verlaufen - natürlich ein Serienkiller. Auch hier schnitzt der Autor wieder eine derbe Kerbe auf Opferseite. Und mag auch die Pointe irgendwie zu erahnen sein (wie in einigen der hier versammelten Geschichten), so wird man doch bestens unterhalten. Das trifft sicherlich auch auf „Zwei perfekte Morde“ zu, die ähnlich gestrickt ist.
Eine der schrecklichsten - und am wenigsten zu ertragenden - Geschichten ist „Der Sohn“, die nach einer historischen Begebenheit die Gräueltaten an einer jungen Magd namens Maria schildert, als im Kriegswinter 1944/45 die Russen in ihr Dorf einziehen. So grausam diese Schilderungen sind, so verzichtet gerade hier der Autor auf unnötige Effekthascherei, und wir alle wissen, dass die Wirklichkeit mindestens so schlimm gewesen sein muss, wie sie hier in literarische Form gegossen wurde. Fast schon atmet man als Leser auf, als die Erzählung am Schluss dann doch noch ins Phantastische übergleitet. Diese Geschichte legt man nicht so einfach beiseite, und sie ist, nebenbei bemerkt, die längste in diesem Buch.
Ein weiteres gut recherchiertes (?) brutal- schwarzhumoriges Highlight der Sammlung ist „Mühlentag“, in dem der Autor eindrucksvoll beweist, dass Backwood-Slasher durchaus auch in den bayrischen Alpen spielen können! Wobei wie in allen Storys man schon zu Beginn ahnt, dass es für einige Personen schlecht ausgehen wird. Hier sind es zwei Schülerinnen, die den Wandertag schwänzen und stattdessen auf eigene Faust lieber eine Mühle besuchen. Des Autors Meisterschaft, die jeweilige Umgebung in höchstens zwei Sätzen zu beschreiben („Hier warf nichts einen Schatten. Das Tal war selbst ein einziger Schatten“) kommt hier ebenso zum Tragen wie seine Kunst, uns selbst Alltägliches bildhaft-blutig vor Augen zu führen („Das Mühlrad war mit Schlick und Schleim überzogen und quietschte bei jeder Drehung, als sei eine junge Ratte eingeklemmt.“) Die Geschichte, ursprünglich für eine Krimi-Anthologie mit dem Thema Handwerk entstanden, wurde aus unerfindlichen Gründen als „zu hart“ abgelehnt. Wahrscheinlich aufgrund wortgewaltig-nachhaltiger Bilder wie diesem: „Mehr als ein Müller hatte eine Hand oder einen Arm verloren … Manche Frauen fanden Männer mit Armstümpfen interessant, wohl wegen dem, was sie mit diesen Stümpfen im Bett anstellen konnten …“ Aber es wird noch schlimmer, keine Sorge.
„Schwarzer Rauch“ ist eine schwarzhumorige Groteske im Datscha-Milieu, wobei einer der Bewohner die Dorfbeamten mit wöchentlichen Anrufen damit nervt, dass er reihum die Nachbarn verdächtigt, die Ehefrau zu verbrennen. Die Pointe kommt unausweichlich und lässt selbstredend nicht lange auf sich warten. Hier präsentiert uns der Autor sogar noch eine Alternativ-Version. Wie es überhaupt sehr informativ zu lesen ist, wie U. L. Brich auf all die fiesen Ideen kam. Jeder Story schließt sich eine Art Making-of an.
„Der Sound des Teufels“, die abschließende Geschichte, ist vielleicht die einzige, der man unterstellen könnte, Gewalt als Selbstzweck zu inszenieren. Dennoch weiß auch diese Story um eine Satanssekte zu unterhalten. Und natürlich wurde auch sie für die Anthologie, für die sie geschrieben wurde, abgelehnt, sodass wir erst jetzt in ihren Genuss kommen.
Es handelt sich bei dieser Sammlung nicht um Phantastik, also nicht um übernatürlichen Horror - eher um mehr oder weniger originelle kriminelle Kurzgeschichten, bei denen die Meisterschaft des Autors auch in gedruckter Form hier und da hervorblitzt. U. L Brich bei einer Lesung zu erleben, ist natürlich noch köstlicher: Der trockene Humor, die mitunter brillanten Charakter- und Milieu-Beschreibungen und die ihm anzumerkende diabolische Freude, sein Publikum zu schocken, kommen bei einer Live-Lesung noch direkter rüber.
Der Autor verrührt allerlei Grausamkeiten, derben Trash, aber auch eine brillante Beobachtungsgabe und sein Talent, Personen und Situationen punkgenau zu beschreiben, zu einem blutigen Brei, der trotz allem genießbar, ja sogar schmackhaft ist, zartbesaiteten Lesern aber gleich wieder aufstoßen mag.
Ich würde U. L. Brich als deutschen Jack Ketchum bezeichnen, und bestimmt würden seine Geschichten sehr gut in eine Reihe wie „Festa Extrem“ passen, in der sicherlich noch weit fiesere Kost geboten wird.