Carl Grunert: Im Königreich Nirgendwo - Sämtliche Zukunftsnovellen (Buch)

Carl Grunert
Im Königreich Nirgendwo - Sämtliche Zukunftsnovellen
Verlag Dieter von Reeken, 2019, Paperback, 524 Seiten, 27,50 EUR, ISBN 978-3-945807-33-0

Rezension von Carsten Kuhr

Carl Grunert (1865 bis 1918) ist heute fast vergessen. Fast, weil Herausgeber und Verlagsinhaber Dieter von Reeken dem Verfasser ein literarisches Denkmal setzt. Innerhalb seines Verlags erschienen und erscheinen die Novellen des Autors (der Zeit seines Lebens, soweit bekannt, keine Romane schrieb) im Neusatz und reißen Grunert aus dem Vergessen.

Warum der Herausgeber von den vielen Autoren, die um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts publizierten, ausgerechnet Grunert neu auflegt und einem aktuellen Publikum zugänglich, macht erklärt sich damit, dass der Autor schlicht nach wie auch heute noch lesbar ist.

 

Seine oftmals romantisch angehauchten Novellen zeigen uns einen Autor, der interessante Ideen zuhauf in seine Werke einfließen ließ und gerne und ausgiebig mit Anspielungen und Reminiszenzen spielte. Die wissenschaftlichen Erfindungen dienten dabei oftmals nur als Vehikel für seine romantisch verklärten Liebesgeschichten. Oft geht es ihm darum, die Schwierigkeiten, den oder die „Richtige“ zu finden, zu beschreiben, wobei er natürlich auf ein Happy-End zusteuert. Dabei nutzte Grunet, um seine Handlung voranzutreiben und entgegen den Gepflogenheiten der damaligen Zeit, gerne auch Dialoge.


Zeit seines Lebens bekennender Jules-Verne- und H.-G.-Wells-Freund, erinnert so Manches an die Vorbilder. So sind mit „Der Marsspion“, “Pierre Maurignacs Abenteuer“ und „Das Ei des Urvogels“ gleich drei Reminiszenzen an Wells inkludiert. Hier liefert Grunert nicht nur eine Art Vorgeschichte zum „Krieg der Welten“, sondern auch eine Fortsetzung zur „Zeitmaschine“, in der Wells selbst einen Auftritt hat.

Doch nicht nur Wells diente Grunert als Vorbild und Reminiszenz, auch Jules Verne wurde gewürdigt. „Ballon und Eiland“ bietet hier sogar im Text einen direkten Hinweis auf Vernes „geheimnisvolle Insel“. Auffällig hier, dass Grunert seine Frauen nicht als Damsel in der Not, sondern als tatkräftige, ja wagemutige Charaktere beschreibt, die aktiv ins Geschehen eingreifen - mehr als unüblich zu seiner Zeit!

Aber auch Kurt Laßwitz wird gewürdigt. In dem diesem gewidmeten „Scarlatina“ etwa begibt sich ein Familienvater im Traum in seinen Körper, um diesen zu heilen.

Daneben greift Grunert typische utopische Plots auf: Die Außerirdischen, die die Erde besuchen, der Untergang der Zivilisation, eine Unterwasserstation, die die alte mit der neuen Welt verbindet und in der die Vorräte ausgehen, oder künstliche Energieerzeugung - Themen, die sich seither kaum gewandelt haben. Immer wieder bricht der Autor dabei eine Lanze für die wahre Liebe, die er - untypisch zu seiner Zeit - weit höher einschätzt, als die persönliche Ehre.

Ein Abschnitt mit Lyrik und Briefen Grunerts an Laßwitz runden den Band ab.