Caroline Ronnefeldt: Quendel (Buch)

Caroline Ronnefeldt
Quendel
Titelbild: Caroline Ronnefeldt
Ueberreuter, 2018, Hardcover, 446 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7641-7077-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Kennen Sie die Hobbits? Das liebevolle Völkchen, das sich eigentlich am liebsten um sich selbst, die Pfeife und ihre Hügelhäuschen kümmert hat Zuwachs bekommen. Vorhang auf für die Quendel. Auch sie leben im Hügelland, wissen es sich gut gehen zu lassen und gehen ihren Lieblingsbeschäftigungen nach.

Bullrich Schattenbart ist einer der hier lebenden Quendel. Er ist ein wenig als Sonderling verschrien, geht er doch voller Leidenschaft seiner Obsession für die Kartographie nach. Das ganze Land hat er schon vermessen, erwandert und in seinen Karten minutiös festgehalten. Doch da gibt es ja noch den in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Wald Finster, dessen weißer Fleck unseren wackeren Forscher nicht ruhen lässt. Kaum jemand hat sich bislang in den verrufenen Wald hineingetrau; diejenigen, die es gewagt haben, kamen nie zurück.

Doch was tut man nicht alles, wenn einen der Hafer sticht und man sowieso als Eigenbrötler verschrien ist? Richtig, Bullrich macht sich auf, das letzte Weiß auf seiner Karte zu füllen - und kommt von seiner Expedition nicht zurück.

Etwas Dunkles regt sich im Wald, etwas, das den Freunden unseres Verschwundenen die Suche nach ihrem Verwandten und Nachbarn nicht einfacher macht…


Tja, was ist das für ein Buch, das uns schon durch das liebevoll gestaltete Äußere als etwas Besonderes daherkommt? Ein Buch, das beileibe keine Kopie, nicht einmal eine Hommage an Tolkiens Hobbits ist, sondern einfach eine ergreifende Geschichte um ein stilles, unauffälliges und liebevolles Volk erzählt. Besser gesagt einen Tag im Leben einiger der Quendel. Aber, was für ein Tag!

In mehreren, ausführlich aufgebauten Handlungssträngen bringt uns die Autorin ihren Plot näher. Das geht zulasten den Tempos - wer also gerne schnell in dramatische Situationen und gefährliche, blutige Kämpfe eintauchen will, für den ist das Buch weniger geeignet. Nein, das Werk richtet sich an Leser, die gerne auf den Märchenpfaden unterwegs sind, die eintauchen wollen in eine andere Zeit und andere Orte, und sich hier verzaubern lassen.

Das Pfund, mit dem die Autorin wuchert, sind sicherlich die faszinierenden Figuren. Charaktere, die sich durch die unheimlichen und bedrohlichen Ereignisse um sie herum verändern, die sich fürchten und angesichts der Bedrohungen über sich hinauswachsen. Fliegende Wölfe, dunkle Grabgewölbe, bedrohliche Moore - der Roman fügt sich bestens in die klassische Schauer-Romantik ein. Mit viel hintergründigem Humor erzählt, stilistisch unauffällig aber sehr gut und flüssig lesbar, erwartet hier ein modernes Märchen den Leser, das weit abseits der gängigen Pfade daherkommt, am Ende dann aber etwas abrupt abbricht. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass es ein Wiedersehen mit den Quendel geben wird - warten wir´s ab.