Die Kinder des Prometheus 1: Familientreffen (Comic)

Henscher, Emmanuel Herzet
Die Kinder des Prometheus 1
Familientreffen
(Les prométhéens Tome 1: Réunion de famille, 2015)
Titelbild und Zeichnungen: Rafa Sandoval
Übersetzung: Barbara Wittmann
Panini, 2016, Hardcover, 60 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-95798-695-5

Rezension von Elmar Huber

Seit dem Sturz des Olymps leben die Götter in alle Winde zerstreut unerkannt unter den Menschen. Als Stiftungs- und Finanzgruppenleiter, als Umweltaktivisten oder halbseidene Lebemänner. Sie haben dieses Exil gewählt, weil sie verfolgt werden. Thymos, dessen Mutter einst durch die Schuld der Allmächtigen gestorben ist, hat den Göttern Rache geschworen. Und jetzt ist er wieder da, verfolgt und tötet die inzwischen verweichlichten Mächtigen mit aller Härte. Nur mit vereinten Kräften und mit ausreichender Motivation hätten sie Thymos etwas entgegenzusetzen. Grund genug für Zeus, ein Familientreffen einzuberufen.

 

„Die Kinder des Prometheus“ zeigt die göttliche Familie als zerstrittene Bande, denen nur noch ein unangebrachtes Maß an Überheblichkeit gemein ist. Sie haben sich in ihrem notgedrungenen Leben unter den Sterblichen, jeder nach seiner Façon, bequem eingerichtet, ruhen sich auf ihrer Unsterblichkeit aus und haben ihre göttliche Macht scheinbar ganz vergessen. Doch unsterblich sind sie natürlich nur, wenn sie nicht getötet werden, wie Aquaman, sorry, Poseidon natürlich, der hier auf den ersten Seiten von Thymos regelrecht hingerichtet wird.

Schnitt zu Hermes, der gerade Dionysos, dem Gott des Weines, Zeus‘ ‚Einladung‘ zum Familientreffen überbringt. Und eben dieser Dionysos, optisch angelegt als schmerbäuchiger und rotnasiger Tony Stark, dient dem Leser in der Folge am Ehesten als Identifikationsfigur.

Da hilft es natürlich, dass der Erfinder des Dolce Vita die Ereignisse mit einem gewissen Fatalismus sieht, sich lieber auf die angenehmen Seiten des Lebens konzentriert und Zeus süffisant und mit einer ganz eigenen Logik auflaufen lässt. „Ich bin euer Dichter. Was bringt es, Thymos zu töten, wenn niemand eure Heldentaten besingt?“ Daraus bezieht die Geschichte auch einen gewissen Humor, der die Handlung zugänglich macht.

Auch Halbgott Perseus, inzwischen mit den anderen Bastarden Jason und Odysseus als Söldner unterwegs, sieht die Ereignisse eher entspannt, was bei ihm jedoch auf seinen unkontrollierten Drogenkonsum zurückzuführen ist.

Schließlich macht sich Dionysos doch gemeinsam mit dem Götterboten Hermes auf dem Weg ins Reich des Hades, hier ein Monster von einem ausrangierten doppelten Öltanker, wo der Herr der Unterwelt wie ein Buchhalter die Akten der Toten verwaltet, um dort die Moiren, die Schicksalsgöttinnen, zur Unterstützung zu gewinnen.

Thymos‘ Motiv wird indessen nur angedeutet, und das ist vielleicht das einzige Manko des Bandes. Stattdessen ist der ganze Götter-Pantheon schon in dieser Expositionsphase erstaunlich treffend charakterisiert, ohne dass das beinahe ungezügelte Tempo auch nur im Geringsten leidet. Der Zeitdruck, unter dem die Götter handeln, ist regelrecht greifbar.

Auch zwischen den Zeilen gibt es für den gut allgemein gebildeten Leser einiges zu entdecken. So werden hier die Katastrophen von Tunguska, Hiroshima und Tschernobyl dem Wirken der Götter zugeschrieben. Außerdem greifen Henscher und Herzet immer wieder Elemente der griechischen Mythologie auf und bauen diese als kleine Goodies in die Handlung ein (Stichworte: Nichts vom Tisch des Hades essen, Goldenes Vlies). Das ist nicht unbedingt zum Verständnis der Geschichte notwendig, aber immer schön zu entdecken und wertet die gewissenhafte Autorenarbeit nochmal auf.

Hat man sich nach einigen Seiten endlich in der Handlung orientiert, geht die Story los, wie die Feuerwehr. Zum einen wegen des treibenden Erzähltempos, zum anderen wegen der üppigen und süffigen Zeichnungen von Rafael Sandoval („Catwoman“), die im Alben-Format angemessen zur Geltung kommen. Aber eigentlich wünscht man sich dafür die große Leinwand herbei. Der Spanier hat sowohl die groß angelegten Bilder meisterhaft im Griff, in ihrer Wirkung unterstützt durch extreme Perspektiven und opulente Bildkompositionen, wie auch die Mimik und Gestik der Figuren, in denen stets ein ironisches Augenzwinkern mitschwingt.

Nicht zuletzt deswegen wirkt „Prometheus“ sehr viel weniger verkopft und trocken als das einige Monate zuvor in Paninis Alben-Programm erschienene „Monika“ von DC-Kollege Guillem March. Angesichts solcher Sahnestücke kann man nicht wirklich sauer sein, dass Panini nun auch den europäischen Alben-Markt abgrast.

„Was tun?“ sprach Zeus. „Die Götter sind besoffen, der Olymp ist vollgekotzt.“

Mythologischer Action-Thriller in waghalsigem Tempo, serviert in opulenten Bildern und mit einem Augenzwinkern.