Elea Brandt: Opfermond (Buch)

Elea Brandt
Opfermond
Titelbild: Rossita Atanassova & Matthias Lück
Mantikore, 2017, Paperback, 438 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-945493-36-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen in Sha-Quai, der Stadt des blutigen Gottes Ghor-el-Chras. Umgeben von kargen Landstrichen und der Wüste präsentiert sich die Metropole zweigeteilt. Auf der einen Seite das Elendsviertel, in dem ein Leben nicht viel bedeutet, in dem despotische, brutale und machtgierige Zuhälter und Verbrecher wie der Khari ihr Regime aufgezogen haben, auf der anderen Seite das Viertel der Begüterten, dessen Straßen von Palmen gesäumt äußerlich sauer und geordnet daherkommt. Die Gilden haben hier das Sagen, ihre fast allmächtigen Anführer kämpfen allerdings mit harten Bandagen um Macht und Einfluss.

Einst gehörte Varek zu diesen Privilegierten - bis er sich mit der Frau aus gutem Hause einließ und zur Buße sein Leben dem blutigen Gott weihen durfte. Seitdem fristet er sein Dasein als Assassine in Diensten der Kirche, meuchelt Kinder, Frauen und Alte ganz wie es der Gott beziehungsweise dessen Diener auf Erden von ihm verlangen.

Dass seit Kurzem im Elendsviertel der Stadt immer wieder Leichen aufgefunden werden, denen ganze Teile ihres Körpers fehlen, interessiert ihn dabei weniger. Dann aber heuert ihn der Anführer der Alchemisten an, den Mord an dessen Sohn aufzuklären. Die Spur führt zum Freudenmädchen Idra. Sie allein kann ihm bei der Aufklärung des Verbrechens weiterhelfen - fordert als Bezahlung aber seine Hilfe bei der Rache am Mörder ihres einzigen Freundes, eines Strichers.

Die Spur führt weiter über die korrupten Wachen der Stadt, den Sklaven und ihren Besitzern mitten hinein ins Viertel der Begüterten - und zu einem Geheimorden, der eine lange vergessen geglaubte Göttin anbetet und ihr mittels blutigen Opfern huldigt…


Schon wieder ein Buch, genauer ein Fantasy-Schinken, über einen Assassinen - so wird so mancher Leser denken, wenn er den Waschzettel durchliest. Das hatten wir in letzter Zeit zur Genüge, man denke nur an Barkers „Die Stunde des Assassinen“ oder Kristoffs „Nevernight“, beides ausgezeichnete Titel mit entsprechenden Protagonisten. Nun also macht sich ein Assassine aus deutschen Autorenlanden auf, seine Leser zu faszinieren. Und das Ergebnis kann sich sehen, genauer gesagt lesen lassen.

Elea Brandts Debütroman fußt dabei auf zwei großen Säulen. Zunächst ist hier das Setting zu nennen. Die Autorin entführt uns in eine orientalisch angehauchte Metropole, in der sich Arm und Reich in streng voneinander getrennten Vierteln tummeln. Sklaverei kommt hier ebenso vor wie alltägliche Gewalt gegenüber Untergebenen, Rechtlosen und Armen aber auch den Frauen. Gerade das ausführlich als Bühne dienende Elendsviertel wird dabei ebenso detailreich wie überzeugend beschrieben.

Dazu kommen die beiden Hauptfiguren; der Auftragsmörder, dem seine Professionen verhasst ist, der sich ihr aber nicht entziehen kann, ohne dass er und seine Familie unter der Repressionen der Kirche massiv zu leiden hätten und die Prostituierte, die mit beiden Beinen im elenden Leben steht.

Mit und über diese betritt der Leser die Welt der Handlung, lernt die Machtverhältnisse in zum Teil deftigen, ungeschönten Bildern des Elends und der Gewalt insbesondere gegenüber Hilflosen und Frauen kennen.

Das ist starker Tobak, vermittelt dem Roman aber dabei ein gerüttelt Maß an Authentizität.

Die Handlungen der beiden Protagonisten, die sich in der Erzählrolle abwechseln, ist in sich stimmig, wobei beide Charaktere interessant gezeichnet werden. Jeder der Beiden hat seine ganz persönliche Historie, die ihn beziehungsweise sie prägt. Dazu streut die Autorin jede Menge Geheimnisse ein, so dass nicht nur das Tempo hoch sondern auch die Spannungskurve bis ins überraschende Finale straff bleibt.

Insgesamt gesehen ein Debüt, das sich wahrlich sehen lesen lassen kann.