Bradley Beaulieu: Die zwölf Könige - Die Legenden der Bernsteinstadt 1 (Buch)

Bradley Beaulieu
Die zwölf Könige
Die Legenden der Bernsteinstadt 1
(Twelve Kings In Sharakhai) 
Übersetzung: Antonia Zauner
Titelbild: Stephanie Gauger
Knaur, 2017, Paperback, 682 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-426-51817-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Vierhundert Jahre ist es her, dass Sharakhai, die Stadt in der Mitte der ewigen Wüste, von der Zerstörung bedroht war. Den Anführer der zwölf Stämme gelang es nur über einen Pakt mit den Göttern, das Unheil aufzuhalten. Seitdem geht, immer wenn die zwei Monde voll über der Stadt stehen, das Unheil in Form der Asisim, untoter, hungriger Wandelnder in der Stadt um, wählen diese unabhängig von Stand, Alter oder Geschlecht ihre Blutopfer.

Die früheren Anführer herrschen seit dem Pakt als unsterbliche Könige gleichberechtigt über die Stadt. Über die Jahrhunderte haben sie eine Unzahl von Nachkommen gezeugt, aus deren Mitte sie ihre persönlichen Wachen, die Klingentöchter rekrutieren und die jeweils mit der Ebenklinge ein ganz besonderes Schwert tragen. Doch es regt sich Widerstand. Rebellion, raunt man sich in den Bazaren zu, Verrat nennen es die Herrschenden. Für jede bei den Anschlägen getötete Klingentochter müssen als Strafe 24 unschuldige Bürger - Kinder wie Erwachsende - ihr Leben lassen.

Çeda wuchs in Sharakhai auf. Sie, deren Mutter an den Toren des Palasts der 12 Könige am Hals aufgehängt, gefoltert und ausgeblutet wurde, hat sich als Kämpferin in der Arena unter dem Pseudonym der Weißen Wölfin einen Namen gemacht. Darüberhinaus erledigt sie für einen der zwielichtigen Männer der Stadt gut bezahlte Botendienste. Und sie ist die beste Diebin der Stadt.

Seitdem ihre Mutter umgebracht wurde, treibt sie ein unbändiger Drang nach Rache und Hass auf die Könige. Als sie erfährt, dass sie selbst die Tochter eines der Könige ist, dass sie eine Verbindung zu den Verhassten hat, bricht für sie zunächst eine Welt zusammen. Warum nur hat ihre Mutter, die ihr einziges Kind aufgab um die Könige anzugreifen, sich einem der so verhassten Oberen hingegeben?

Während in der Stadt die Opposition trotz des Friedens und des Wohlstands, den die Könige garantieren, wächst, Anschläge auf das Leben der Könige verübt werden, versucht Çeda zunächst ihrer eigenen Abstammung auf die Spur zu kommen.

Emre, ihr Freund aus Kindheitstagen, hat sich dem Widerstand angeschlossen, wohl wissend, dass für jeden Anschlag grausame Rache an den Bewohnern geübt wird. Doch sich den Rebellen anzuschließen kommt für Çeda nicht in Frage. Zu stolz ist sie auf ihre Unabhängigkeit, zu selbstbewusst und neugierig, um sich anderen unterzuordnen.

Lieber sucht sie auf den geschnitzten Kufen der Sandschiffe nach ihrer Herkunft, versucht den Geheimnissen ihrer Mutter, die diese in einem Buch mit Gedichten verschlüsselt hinterlassen hat, auf die Spur zu kommen. Und sie findet rätselhafte Verbündete…


Was ist dies für ein Buch, das Knaur hier vorlegt? Orientalische Fantasy könnte als Überschrift dienen, ist der Ort der Handlung doch eine Metropole inmitten einer Wüste. Doch, auch wenn das Leben in dem Sandmeer als ebenso malerische wie gefährliche Kulisse dient, nimmt der Ort der Handlung bei Weitem nicht die Hauptrolle im Buch ein. Stattdessen verzücken den Leser die ebenso liebevoll wie minutiös ausgearbeiteten Figuren mit ihren vielen Geheimnissen, mit ihre Eigenheiten, ihren Ecken und Kanten. Nicht nur Çeda und Emre, auch die anderen Auftretenden erweisen sich hierbei als faszinierend vielschichtig.

Dazu kommt eine zunächst ganz im Hintergrund mitschwingende, ganz eigene ungewohnte Magie. Unsterbliche Könige, das kennen wir, Blutopfer, die für Macht beglichen werden müssen sind uns bekannt, und doch ist es vorliegend alles ein wenig anders, märchenhafter als wir es bereits anderswo gelesen haben. Immer wieder, gerade wenn der Autor uns von seinen sehr dosiert eingesetzten magischen Vorgängen berichtet, werden wir von den reichen Mythen, von denen er berichtet verzückt, verleiht das große Gerüst des Autors seiner Handlung ungewohnte Tiefe.

Auch wenn gekämpft, verraten und gestorben wird sind diese Schilderungen immer nur Hintergrund, um die Figuren genauer beleuchten zu können.

Das heißt ausdrücklich nicht, dass der Roman langweilig sei, ganz im Gegenteil. Anders als viele Kollegen braucht Beaulieu kein Schlachtengetöse oder Meere von Blut, um seine Leser zu ködern. Er verzaubert eher unauffällig durch die Magie der Nacht über dem Meer des Sandes, die ganz eigene Flora und Fauna der Wüste und seine stimmigen Gestalten.

Fazit: Mit vorliegendem Roman erschließt sich dem Leser, der sich darauf einlässt, eine faszinierend andere Fantasy-Welt voller unauffälliger Magie, Überlieferungen und vielschichtiger Gestalten.