Lew Tolstoi: Krieg und Frieden (Hörspiel)

Lew Tolstoi
Krieg und Frieden
(Война и мир (Woina i mir), 1868/1869)
Nach Lew Tolstois „Krieg und Frieden“, Winkler Verlag, 1956)
Übersetzung: Marianne Kegel
Hörspielbearbeitung: Gert Westphal
Sprecher: Walter Andreas Schwarz, Heinz Bennent, Karlheinz Fiege u.a.
Musik: Bernd Scholz
der Hörverlag, 2016 (1965), 10 CDs, ca. 486 Minuten, ca. 30,00 EUR, ISBN 978-3-8445-2050-7

Rezension von Irene Salzmann

Russland in den Jahren 1805 bis 1812: Napoleon schickt sich an, ganz Europa zu erobern und scheitert schließlich an der Weite Russlands und der Winterskälte. Vor diesem Hintergrund spielen sich die Schicksale zahlreicher Personen ab, insbesondere die der Mitglieder der Familien Bolkonskij, Rostow und Besuchow.

Im Fokus stehen vor allem Fürst Andrej Bolkonskij und Pierre Besuchow, die beide auf ihre Weise nach dem Sinn des Lebens suchen. Während Andrej ein geachteter Mann ist und lieber beim Militär Karriere macht, statt sich um seine schwangere Frau Lisa zu kümmern, erbt Pierre als unehelicher und einziger Sohn seines Vaters dessen Titel und Vermögen, wird von der Gesellschaft belächelt, ausgenutzt und schließlich in eine unglückliche Ehe mit der kapriziösen Hélène gedrängt.

Lisa bringt einen Jungen, Nikolaj, zur Welt und stirbt. Andrej ist untröstlich - bis er die junge Gräfin Natascha Rostowa kennenlernt. Beide verlieben sich ineinander, doch Andrejs Vater beharrt darauf, dass das Paar ein Jahr mit der Hochzeit wartet. Längst ist Andrej ernüchtert, da der erste Zauber bereits verflogen ist, und stellt Natascha frei, das Eheversprechen zu lösen, falls sie sich anders besinnt. Überdies bittet er sie, seinen Freund Pierre auch als den ihren zu betrachten und ihm in allem zu vertrauen. Kurz vor Ablauf des Trennungsjahres lernt Natascha den charmanten Anatol Kuragin, Hélènes Bruder, kennen und lieben. Sie will mit ihm durchbrennen, aber der Plan kann vereitelt werden. Obwohl es keine Affäre zwischen den beiden gegeben hat, kann Andrej Natascha nicht verzeihen, und die Verlobung wird aufgelöst.

Mittlerweile hat sich Pierre in Natascha verliebt, macht sich aber keinerlei Hoffnungen, eines Tages ihr Herz gewinnen zu können, und geht darum auf Distanz. Napoleons Armee scheint nicht aufgehalten werden zu können und nähert sich Moskau. Wer kann, verlässt die Stadt und seine Güter. Andrej zieht in den Krieg und wird schwer verwundet. Als die Rostows fliehen, setzt Natascha durch, dass statt Unmengen Gepäck die Verwundeten mitgenommen werden. Unter ihnen entdeckt sie Andrej und pflegt ihn bis zu seinem Tod. Beide bedauern, dass sie ihr Glück vertan haben. Pierre gerät in Kriegsgefangenschaft und wird von russischen Soldaten befreit. Er kehrt nach Moskau zurück und begegnet dort erneut Natascha. Er liebt sie immer noch und ist nun frei, denn Hélène ist gestorben…


Auch wenn man das Buch vielleicht nie gelesen hat, den gleichnamigen Film von King Vidor mit Henry Fonda, Audrey Hepburn, Mel Ferrer und vielen anderen aus dem Jahr 1956 hat gewiss so ziemlich jeder wenigstens einmal gesehen. Freilich existieren einige weitere Verfilmungen, doch keine dürfte so bekannt wie diese sein - und wenn man dem Hörbuch lauscht, hat man auch die Gesichter jener Schauspieler vor sich, deren sich weiterentwickelnde ‚Dreiecks-Beziehung‘ einen wichtigen Bestandteil der Handlung ausmacht.

Die Handlung allerdings auf dieses Trio zu reduzieren, wird dem Roman überhaupt nicht gerecht. Es gibt zahlreiche weitere interessante Charaktere, deren Wirken sich teils zum Besseren, teils zum Schlechteren wendet, deren glanzvolles Leben mit einer Tragödie oder nach vielen Rückschlägen überaus glücklich endet. Dennoch musste sowohl für den Film als auch für das Hörbuch die Zahl der Personen auf ein überschaubares Maß reduziert werden. Das beigefügte Booklet, welches diesen Namen wirklich verdient, da es auf mehr als 50 Seiten viel Information bietet, listet die Rollen und ihre Sprecher - darunter bekannte Namen wie Willy Birgel, Klausjürgen Wussow uns Marius Müller-Westernhagen -, mit zusätzlichen Angaben, was sehr hilfreich ist, um die Übersicht zu wahren.

Ferner erfährt man Näheres über Lew Tolstoi und den historischen Hintergrund. Hinzugefügt wurden außerdem einige weitere Erläuterungen bezüglich der Namen, Maßeinheiten, verwandtschaftlichen Beziehungen und so weiter. Den Abschluss bildet eine Kapitel-Übersicht der CDs.

Das Hörspiel wird in einer stabilen, aufklappbaren Kartonbox ausgeliefert, in der sich das Booklet und 10 Audio-CDs in durchsichtigen Plastikhüllen befinden. Mit einer Spieldauer von über acht Stunden bietet „Krieg und Frieden“ den Zuhörern ein packendes Historien-Drama, das man nicht ‚so nebenbei‘ sondern aktiv hören sollte, um die vielen Details aufnehmen zu können.

Obwohl die Inszenierung des WDR aus dem Jahr 1965 stammt, hat sie nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren und wird auch noch nach über fünfzig Jahren die Hörspiel-Freunde begeistern.