Jasper Fforde: Irgendwo ganz anders (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 08. Mai 2010 15:55
Jasper Fforde
Irgendwo ganz anders
Thursday Next 5
(First Among Sequels,2007)
Aus dem Englischen von Joachim Stern und Sophie Kreutzfeld
Titelgestaltung von Balk & Brumshagen unter Verwendung einer Illustration von Mark Thomas
dtv, 2009, Paperback, 412 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 979-3-423-24758-0
Armin Möhle
Mit „Irgendwo ganz anders“ führt der walisische Autor Jasper Fforde seine „Thursday Next“-Reihe fort, was nach dem letzten Band, „Es ist was faul“ (dtv Paperback 24568 und dtv Taschenbuch 21050), der vor drei Jahren erschien, nicht unbedingt zu erwarten war.
Die „Thursday Next“-Romane sind in einer Parallelwelt angesiedelt, die sich nicht nur historisch von der unseren unterscheidet: England ist Republik, Wales ist selbstständig usw. usf. Vielmehr sind die Grenzen zwischen der Realität und der literarischen Fiktion durchlässig. Das ist in der (phantastischen) Literatur ein einmaliges, zumindest selten genutztes Konzept.
In „Der Fall Jane Eyre“ (dtv Paperback 24379 und dtv Taschenbuch 21014) muss sich die (seinerzeit) fünfunddreißigjährige SpecOps-Agentin Thursday Next gegen die Angriffe des Verbrechers Acheron Hades und des Goliath-Konzerns wehren; außerdem verhilft sie dem Klassiker „Jane Eyre“ von Charlotte Bronté zu einem neuen Ende. Thursday Next ist nämlich in der Lage, sich in Romane zu versetzen und dort zu agieren.
„In einem anderen Buch“ (dtv Paperback 24430 und dtv Taschenbuch 21015) trifft Thursday Next auf die Jurisfiktion, dem Sicherheitsdienst der BuchWelt, die aus sämtlichen jemals verfassten Romanen, Erzählungen, mündlichen Überlieferungen und so weiter besteht – und anderem mehr.
„Im Brunnen der Manuskripte“ (dtv Paperback 24464 und dtv Taschenbuch 21049) gelingt es Thursday, eine Verschwörung gegen die BuchWelt zu vereiteln, und in „Es ist was faul“ löst sie eine Reihe von Konflikten und Problemen, in der BuchWelt, in der Realität und in ihrem Privatleben. Da in „Es ist was faul“ die Nebenhandlungen aus den ersten drei Romanen beendet wurden, war eine Fortsetzung nicht zu erwarten, jedenfalls keine unmittelbare.
Jasper Fforde siedelte „Irgendwo ganz anders“ handlungschronologisch etwa eineinhalb Jahrzehnte nach „Es ist was faul“ an. Thursday Next ist inzwischen Mutter von drei Kindern und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Teppichhändlerin, da die meisten SpecOps-Abteilungen aufgelöst wurden, auch die der Literaturagenten. Doch das Teppichunternehmen ist nur eine Fassade, hinter der die ehemaligen SpecOps-Agenten weiterhin tätig sind. Für die Jurisfiktion ist Thursday Next selbstverständlich auch aktiv. Und das alles, ohne dass ihr Ehemann Landen davon etwas ahnt, was von Thursday jeden Tag organisatorische Meisterleistungen erfordert.
Die Probleme, mit denen Thursday Next in „Irgendwo ganz anders“ konfrontiert wird, muten zunächst eher unscheinbar an. Auf einen potenziellen Mörder reagiert sie gelassen. Die BuchWelt wird durch ein transfiktionales Eindringen verletzt (also von der Realität ausgehend), Thursday soll ihre verschiedenen literarischen Alter Egos auf ihre Eignung für die Tätigkeit in der Jurisfiktion testen, versucht, ihren sechzehnjährigen Sohn Friday für den Dienst in der Chronogarde, der Organisation der Zeitreisenden (eine SpecOps-Abteilung, die noch existiert), zu interessieren und stattet dem Goliath-Konzern einen Besuch ab, der sich ihr gegenüber überraschend kooperativ verhält. Letztendlich kommt Thursday einer (Doppel-) Verschwörung auf die Spur.
„Irgendwo ganz anders“ ist wieder eine (Lese-)Reise durch die Literatur, mit unzähligen Anspielungen auf diverse Werke, nicht nur aus der Klassik, sondern auch aus der Fantasy, dem Krimi und der SF (auch wenn „Der Wüstenplanet“ nicht zu den Höhepunkten des Genres zähle) und anderem mehr. Der Ideenreichtum ist überbordend, sowohl in der Real- als auch und vor allem in der BuchWelt, und amüsant. Die Mechanismen, die der Autor für das Funktionieren der BuchWelt erfindet, sind zwar nicht in jedem Fall logisch, was jedoch in der Welt der Thursday Next keine Rolle spielt.
„Irgendwo ganz anders“ übertrifft die ersten drei Bände der „Thursday Next“-Reihe. Die Perfektion im Aufbau der Handlung, ihre Dichte und die Nonchalance des Stils wurden zuvor nur in „Es ist was faul“ erreicht. Das Aufdecken einer Verschwörung ist zwar ein gängiges Handlungsmuster sowohl in der Spannungsliteratur im Allgemeinen als auch in den bisherigen „Thursdy Next“-Romanen im Speziellen; immerhin nutzt der Autor die sich daraus bietende Gelegenheit, sein Paralleluniversum etwas übersichtlicher zu gestalten.
Das Comeback von Thursday Next ist gelungen – und da in „Irgendwo ganz anders“ zwei Handlungsstränge unabgeschlossen bleiben, sind weitere Abenteuer der SpecOps- und Jurisfiktion-Agentin zu erwarten.