Friedrich Wilhelm Mader: Reise nach Polstadt (Buch)

Friedrich Wilhelm Mader
Reise nach Polstadt
Titelbild und Innenillustration: Karl Mühlmeister
synergenVerlag, 2016, Paperback, 284 Seiten, 29,80 EUR, ISBN 978-3-946366-08-9

Rezension von Carsten Kuhr

Schaut man sich die Buchveröffentlichungen der letzten Jahrzehnte an, so stößt der Interessierte immer wieder auf Werke, die sich in der einen oder anderen Form mit dem Atlantis-Mythos beschäftigten. Sei es, dass man den sagenhaften versunkenen Kontinent versuchte zu lokalisieren, oder eine zumeist spannende Abenteuerhandlung dort situierte, Atlantis sorgte für Interesse und Neugier beim Leser.

Um die Jahrhundertwende schrieb auch Ernst Friedrich Wilhelm Mader vier Erzählungen, in denen er seine ganz eigene Hommage an Atlantis vorlegte. Zum 150. Geburtstag erschienen im synergenVerlag vier Paperbacks mit den interessantesten und auch heute noch lesbarsten Texten Maders (wobei der Roman „El Dorado“ leider ausgespart wurde).

Vorliegender Band vereint in zwei großen Handlungsblöcken die Geschichte der Erkundung der Antarktis.

 

Wir begegnen Minheer Mynkhusen, dem Ururenkel des Barons von Münchhausen, einem genialen Erfinder. Als dieser eine Expedition zum Südpol ausruft, folgen ihm Honoratioren, Wissenschaftler und ein junger, wissbegieriger Freigeist. Und der Minheer hat seinen Begleitern so Einiges vorzuführen. Ein Teleskop etwa, mit dem man die auf fernen Gestirnen gespiegelten Bilder längst vergangener Zeiten sehen kann - inklusive einem musizierenden Moses. Oder ein leichter als Luft Luftschiff, ein Flugapparat der Lilienthal neidisch macht, oder Luftkröten, mit denen die Saurier in der Urwaldparadies umschlossen vom ewigen Eis beobachtet werden.


Das, was sein Kollege Arthur Conan Doyle in „Die vergessene Welt“ Jahre später präsentierte, hatte Mader bereits lang vor ihm und in faszinierenden Bilden festgehalten. Eine vergangene Hochkultur, Überbleibsel der fernsten Vergangenheit und phantastische Erfindungen mischen sich zu einem interessanten und lehrreichen Plot.

Hier kommen wir auch schon zu dem Problempunkt, der die meisten der Werke Maders zwischenzeitlich nur schwer goutierbar macht. Mader wollte seine jugendlichen Leser bilden, sie auf den rechten Pfad führen und hat, so bestechend und faszinieren seine Ideen und Einfälle auch waren, darüber oft das Erzählen vergessen. So finden in den ersten beiden Teilen seine Expedition zwar die Relikte der einstigen Hochrasse, stoßen auf Dinosaurier und verblüffen mit Erfindungen, doch kaum sind sie am Südpol angekommen und die Geschichte könnte so richtig Fahrt zulegen, da geht es zurück ins Heimatland.

Im zweiten Teil, der uns drei neue Protagonisten vorstellt, entdecken diese in den verlassenen Prachtbauten der Atlantiden Überlebende - und kommen dem verschollenen Volk, ihrem Niedergang und ihrer Nemesis auf die Spur. Das würde ach so viele tolle Ansatzpunkte für eine bestechend abenteuerliche Fortsetzung und Ausweitung bieten, allein Mader beschränkt sich bewusst auf den Weg zum Ziel – hier: der Südpol - um dann dort seine Handlung abzubrechen. Herausgeber Detlef Münch hat dieses Manko, und letztlich ist es ein solches, in seinem ausführlichen Nachwort, das auch Material aus dem nicht zustandegekommenen Sekundärband zu Maders Werken enthält, ganz deutlich herausgearbeitet. Dennoch liest sich der Band rund, inhaltlich interessant und weckt das Interesse an einem frühen deutschen Phantasten.

Noch ein Wort zu Maders Büchern: Wer an wunderbaren Jugendstileinbänden interessiert ist, sollte sich bei einschlägigen Antiquariaten einmal umschauen. Die Romane im Union Verlag gehören zu den prachtvollsten Bänden, die in diese Richtung je erschienen sind und sind eine Zierde für jede Sammlung.