Stefan Burban: Das Vermächtnis des Königs (Buch)

Stefan Burban
Das Vermächtnis des Königs
Die Chronik des großen Dämonenkrieges 1
Titelbild: Mark Freier
Atlantis, 2015, Paperback, 304 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 978-3-86402-201-2 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Eine Goblin-Armee fällt in das Königreich Hasterian ein, ermordet König Neiron Dragor, vernichtet den Großteil seiner Truppen und tötet jeden Bewohner der Hauptstadt Tansara, dem es nicht gelang, in die Klosterfestung Caralyn zu fliehen. Die Ordensritter, deren Auftrag der Schutz des Klosters ist, greifen nicht ein, und auch die erhoffte Verstärkung bleibt aus. Neirons Bruder Cedric erscheint erst, als schon alles vorbei ist. Er vertreibt die Goblins und besteigt den verwaisten Thron.

In den nächsten einundzwanzig Jahren installiert Cedric ein Regime des Schreckens mit Hilfe seines Ratgebers Hestal, der Schwarzen Garde und den ihm treuen Rittern der Armee. Wer sich Cedric nicht beugt, lebt nicht lange. Die Bewohner ganzer Landstriche wurden gnadenlos niedergemetzelt, und auch der eine oder andere widerborstige Fürst kam durch einen ‚bedauerlichen Unfall‘ ums Leben.

Längst fragt sich Aronius, Erzbischof der Kirche Ariadnes der Lichtgöttin, ob es ein Fehler gewesen war, die Ordensritter nicht in den Kampf zu entsenden, denn vielleicht hätte Neiron überlebt, und alles wäre anders. Aber noch etwas sorgt Aronius. Eine neue Religion ist auf dem Vormarsch: der Kult von Agranon. Wenig ist über seine Anhänger bekannt, sodass es unmöglich ist zu sagen, ob von ihnen eine Bedrohung ausgeht.

Zunächst jedoch muss sich Aronius mit näherliegenden Problemen befassen. Cedric fordert von ihm die Entsendung der Ordenskrieger nach Erendunkallar, wo er Krieg gegen den Kaiser führt. Auch einige Fürstentümer, die Cedric zu mächtig sind, sollen auf diese Weise eines Großteils ihrer Truppen beraubt werden. Für die Betroffenen bedeuten die Verhandlungen einen Drahtseilakt, denn sie wissen, dass sie damit die Menschen ihrer Ländereien jeglichen Schutzes berauben - die Goblins streifen mordend umher -, und im Falle der Weigerung wird der König seine Armee aussenden.

Es kommt aber noch schlimmer. Ein schattenartiges Wesen dringt in Caralyn ein, tötet mehrere Ordensangehörige und hat es offenbar auf den jungen Bibliotheksgehilfen Adrian abgesehen. Gemeinsam mit Bruder Otilaites kann er sich des Eindringlings lang genug erwehren, bis Hilfe eintrifft. Und dann passiert etwas Erstaunliches.

Adrians Mentoren ist schnell klar, dass der Junge in Sicherheit gebracht werden muss, ebenso die zwei Söldner, die einem Ordensbruder gegen einige Ritter des Königs beigestanden hatten, sowie eine Prostituierte mit ihrem Sohn, die beobachten konnte, woher der Schatten gekommen war. Unter dem Schutz mehrerer Ordensritter machen sie sich auf den Weg nach Erendunkallar, um in der dortigen Bibliothek Nachforschungen über die ausgelöscht geglaubten Dämoniker anzustellen, denn bei jenem Schatten handelte es sich eindeutig um einen Dämon.

 

So weit die Ausgangssituation, für die zu umreißen Stefan Burban fast 200 Seiten brauchte. Auf diesen wird nicht nur die gefährliche Ära unter König Cedric beschrieben, sondern es wird auch ein Großteil der zahlreichen Hauptfiguren vorgestellt. Man lernt sie weitgehend durch ein heikles Ereignis kennen, das zugleich als Auslöser dafür dient, dass sie Tansara verlassen müssen und sich auf die Reise nach Erendunkallar begeben, wo sie Sicherheit und Informationen zu finden hoffen.

So kommen dann auch alle Protagonisten zusammen, die Cedric und Hestal im Weg stehen und bestrebt sind, den Grausamkeiten der beiden und ihrer Handlanger ein Ende zu setzen (auch wenn die Helden das, anders als die erfahrenen Leser, zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen…).

Somit sind das 200 Seiten voller verschiedener Schicksale, die auf einen gemeinsamen Pfad gebracht werden. Nach und nach verrät der Autor mehr über jeden von ihnen, sodass die jeweilige Motivation plausibel erklärt wird. Natürlich lassen auch die Gegenspieler frühzeitig ihre Masken fallen. Es wird gar nicht mal versucht, auch nur den Anschein zu erwecken, Cedric und Hestal könnten anders sein, als sie auf den ersten Blick hin wirken. Und hier wird es leider klischeehaft: Die ‚Guten‘ sind edel, freundlich, attraktiv und haben triftige Gründe für ihre Taten; die ‚Bösen‘ sind skrupellos, machthungrig, sadistisch und hässlich. Das ist fast wie in den alten Zeiten von Pulp-Sword & Sorcery.

Auch wenn man nun meinen möchte, dass eigentlich alles klar ist, es kaum noch Überraschungen geben wird und der Handlungsverlauf vorhersehbar ist, stimmt das überhaupt nicht. Zwar sind die nächsten 100 Seiten erwartungsgemäß einer Reise vorbehalten, während der sich die Hauptfiguren miteinander vertraut machen und gegen Goblin-Horden kämpfen, von denen sie in eine bestimmte Richtung getrieben werden, wo sie einerseits unerwartet Hilfe erhalten, andererseits in einer Falle sitzen, aus der es womöglich kein Entrinnen gibt, sofern nicht ein Wunder geschieht - Cliffhanger! -, doch die vielen Geheimnisse, die so schnell aufgedeckt wurden, erweisen sich als unvollständig, als erste Ansätze zu noch weiterreichenden Enthüllungen.

Infolgedessen bleibt die Neugierde erhalten. Man darf außerdem spekulieren, warum sich zum Beispiel Cedric für Adrian interessiert oder was es mit dem Kult auf sich hat, und wird beim Raten kaum falsch liegen. Doch es gibt noch viele weitere Details, die für unerwartete Wendungen sorgen können. Obendrein nimmt man Anteil am Schicksal der Sympathieträger und hofft, dass sie ihr Ziel unbeschadet erreichen. Die Fortsetzung, „Das Blut des Königs“, liegt bereits vor.

Es wird sehr viel gekämpft. Kein Wunder, denn Stefan Burban schreibt in erster Linie Military SF (erschienen im Atlantis Verlag). „Die Chronik des großen Dämonenkriegs“ ist ein Ausflug ins Fantasy-Genre. Damit auch Leserinnen diesen Romanen etwas abgewinnen können, stellt er als Identifikationsfiguren einige toughe Frauen an die Seite der Helden, leider auch wieder in Klischee-Rollen: die Novizin, die Prostituierte, die Bogenschützin (als Elfen-Alternative und Kämpferin), die mysteriöse Frau am See (Göttin?). Natürlich bahnen sich Romanzen an, die allerdings etwas seltsam anmuten, eher komisch als romantisch wirken, als habe der Autor die Szenen nur ungern geschrieben, denn beispielsweise eiern Adrian und Alisea erst schüchtern umeinander herum, und dann gibt es fast kein Halten mehr.

Mag man heroische Fantasy-Romane nach altem Schrot und Korn, in denen die Guten gut und die Bösen bitterböse sind, in denen viel gekämpft und Magie angewandt wird, die Romantik aufgrund der beständigen Gefahrenlage Nebensache bleibt, wird man feststellen, dass „Das Vermächtnis des Königs“ über großen Unterhaltungswert verfügt. Stefan Burban schreibt flüssig und fängt seine Leser mit Hilfe der sympathischen Figuren und jeder Menge Action ein. Ist man in den 70ern/80ern von Terry Brooks‘ „Das Schwert von Shannara“ und den Folgebänden begeistert gewesen, dürfte man auch an „Die Chronik des großen Dämonenkriegs“ Spaß haben.