Gregg Hurwitz: Orphan X (Buch)

Gregg Hurwitz
Orphan X
(Orphan X, 2016)
Übersetzung von Mirga Nekvedacius
Harper Collins, 2016, Hardcover, 432 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 978-3-959670-24-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Gregg Hurwitz ist nicht nur im Thriller-Genre zuhause, er schreibt auch Drehbücher für große Hollywood-Studios und Comics für Verlage wie Marvel und DC, deshalb weiß er genau, wie er auch seine Geschichte filmreif wirken lassen kann. Das merkt man auch an so ideenreichen Geschichten wie „Orphan X“, dessen Filmrechte er schon vor Erscheinen des Buches selbst an Warner Bros. verkaufen konnte.

 

Die meisten seiner Nachbarn halten den eher unauffälligen Evan Smoak für einen einfachen Vertreter und Verkäufer von Industriereinigern, der gut im Geschäft zu sein scheint; nur wenige ahnen irgendwie, das hinter ihm mehr steckt, wie Mia und ihr kleiner Sohn Peter. Keiner weiß jedoch, dass Evan einmal ein seit seiner Jugend ausgebildeter Profikiller der Regierung war, der immer dann eingesetzt wurde, wenn die Mächtigen ihre Finger sauberhalten mussten. Allerdings hat er sich irgendwann abgesetzt und dazu entschieden, sein eigenes Ding zu drehen, ohne dabei das aufzugeben, was er immer noch am Besten kann.

Heute allerdings ist er als Nowhere Man für die Schwachen und Rechtlosen da, die einfach nicht mehr weiter wissen, denn es ist einfach nicht sein Ding, wenn unschuldige, vor allem junge Leute und Kinder leiden müssen.

Lange Zeit geht alles gut, auch der Auftrag einer jungen Latina, zu verhindern, dass ein korrupter Cop auch noch ihre kleine Schwester missbraucht, geht glatt über die Bühne - doch mit der nächsten Klientin wird alles anders. Ehe er sich versieht steckt Evan bis zum Hals in Schwierigkeiten, denn er kann sich nicht sicher sein, ob seine neue Klientin Karin wirklich ein faires Spiel mit ihm spielt oder nicht schon längst im Auftrag anderer handelt - der Leute, die es aus einem ganz bestimmten Grund auf ihn abgesehen haben…


Man merkt das Gregg Hurwitz „vom Fach“ ist, denn wie jeder gute Drehbuchautor weiß er auch einer niedergeschriebenen Geschichte genau die Dynamik zu verleihen, die sie braucht, um niemals an Spannung zu verlieren. In „Orphan X“ erzählt er zwar konsequent aus der Sicht von Evan und erlaubt sich nur gelegentlich Sprünge zu den anderen Figuren, aber wirklich in die Tiefe geht er bei keinem Charakter.

Es scheint auch nicht wichtig zu sein, warum der junge Killer sich dazu entschieden hat, eigene Wege zu gehen und wie er mit den Morden zurechtkommt, bedeutsam ist nur der Ehrenkodex, dem er folgt und der für die meisten Leser durchaus nachvollziehbar ist, auch wenn er natürlich wie jede andere Form von Selbstjustiz an den meisten Rechtssystemen vorbeigeht.

Tatsächlich reichen die Beschreibungen aus, um Sympathie und Antipathie zu wecken, die Leser an die Figuren zu binden und mitfiebern zu lassen, auch wenn Einiges doch sehr klischeebelastet ist, aber das stört in Filmen auch niemanden. Die Geschichte würde auch langweilig sein, wenn Evan immer nur Erfolg haben würde - so baut der Autor gleich die erste Schwierigkeit ein und natürlich auch Gegner, die es in sich haben und ihn schon bald auf die Probe stellen. Der Jäger wird selbst zum Gejagten und muss sich mit Feinden ein Duell liefern, das mit harten Bandagen geführt wird. Eine schöne Frau wird dabei natürlich zu seiner Schwäche und fast auch zum Verhängnis. Gerade zum Ende hin bleibt offen, ob er das Ganze überleben darf oder nicht, was die Spannung bis zuletzt aufrechterhält. Kurzum: Das Buch ist rasante Unterhaltung, die sich problemlos lesen lässt und bis zum Ende Spaß macht.

Daher sei „Orphan X“ allen Lesern empfohlen, die actionreiche Thriller mögen, in denen ein Bad Boy mit Herz für seine Art von Gerechtigkeit kämpft und nun in eine Falle gerät, aus der er nur entkommen kann, wenn er all das in die Waagschale wirft, was ihm bisher etwas bedeutet hat; selbst  Gefühle wie Liebe und Mitleid.