Michael J. Sullivan: An Bord der Smaragdsturm (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 31. Oktober 2015 09:46
Michael J. Sullivan
An Bord der Smaragdsturm
Riyria 4
(The Emerals Storm)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Wolfram Ströle
Titelillustration von Birgit Gitschier
Klett-Cotta, 2015, Paperback in mit Klappenbroschur, 440 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-608-96015-0 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Hadrian und Royce wollten sich eigentlich zur Ruhe setzen. Einst waren sie das versierteste Diebespaar der bekannten Welt, dann nahmen sie einen Auftrag an, der schnell und einfach verdientes Geld zu bringen schien und fanden sich fälschlich des Königsmordes beschuldigt im Kerker wieder. Seitdem ist ihr Leben noch ein wenig interessanter, soll heißen, gefährlicher geworden.
An der Seite der Prinzessin von Melengar stellten sie sich der Invasion der kirchlichen Truppen in den Weg und obsiegten; zunächst zumindest, entgegen aller Wahrscheinlichkeit. Gut, es kam ihnen ein uralter, mächtiger Magier zu Hilfe, doch eigentlich wissen sie, dass sie fällig sind. Wer sich dem Schicksal zu oft in den Weg stellt, der wird irgendwann einmal bezahlen müssen - teuer bezahlen müssen. Auch wenn Hadrian sich als geweissagter Leibwächter des unbekannten Erben des Imperiums erweist, und obwohl Royce als Halbelf merkwürdige Talente in sich entdeckt, sie sind fällig. Also Kopf unten halten und in Rente gehen, ansonsten… Wir hatten das Thema ja gerade.
Dann aber wird ein alter Bekannter aus Zeiten, in denen sie dem organisierten Verbrechen angehörten, von der Kirche engagiert, den Widerstand der wenigen Aufrechten zu brechen und schon wird die Sache persönlich. So persönlich, dass unsere beiden Fassadenkletterer sich gar an Bord eines Segelschiffes begeben und gen Süden segeln - mitten hinein in ein Gebiet, in dem es nur so wimmelt vor Piraten, einem mörderischen Dschungel und Menschenfressern…
Wenn man als Rezensent Mühe hat, die bisherigen Geschehnisse zusammenzufassen und kürzer zu präsentieren als die laufende Handlung, dann ist in aller Regel der Höhepunkt eines Zyklus überschritten.
Das soll beileibe nicht heißen, dass Sullivan nichts für seine Leser in petto hätte; ziemlich zu Beginn überraschte er mich denn auch gleich. Wir wissen ja, dass zu jeder wirklich guten Fantasy-Reihe ein mächtiger, uralter und weisen Zauberer gehört, der die Helden zu ihrem Glück anleitet - so Mancher würde auch „zwingen“ sagen.
Nun, jetzt mache ich etwas, was man eigentlich nie machen sollte, ich spoilere: der Zauberer wird aus dem Spiel genommen.
Das eigentlich Erstaunliche ist, dass dies nicht weiter wichtig ist, ja es kaum auffällt.
Prinzessin Arista begibt sich auf der Suche nach dem Erben in die Höhle des Löwen, während ihre beiden früheren Kämpen die Meere unsicher machen. Das hört sich zwar durchaus dramatisch an, lässt aber vermuten, dass es nicht wirklich vorangehen würde, und nur letztlich Bekanntes auf uns wartet. Nun, voran geht es wirklich langsam, doch, und hier sah ich mich glücklicherweise getäuscht, Sullivan fügt seiner Schöpfung wirklich noch Neues hinzu. Nicht etwa die leidlich bekannten Seegefechte überraschten mich, sondern die Reise durch den Dschungel. Hier gelingt es dem Autor, seine Welt detailreicher und interessanter auszubauen, als erwartet.
Die Schilderung der grünen Hölle selbst ist es dabei weniger, aber als die Expedition dann auf die Eingeborenen trifft, als verschollene Burgen, wilde Stämme und Arenen, in denen Gladiatorenkämpfe stattfinden, präsentiert wurden, las ich gebannt weiter. Hier nutzt der Autor die Chance, seine Welt um andere Landstriche und Völker zu bereichern und den Fokus weiter zu spannen. Dies tut dem Plot gut. Die Charaktere bekommen den Platz, um sich weiterzuentwickeln, neue Hinweise auf ihre Jugend, ihren Werdegang und damit der Grund, warum aus ihnen jene Kämpen wurden, als die wir sie kennenlernten, werden präsentiert und die Gestalten dadurch in sich runder und lebensechter. Zwar sind insbesondere die kirchlichen Aggressoren nach wie vor sehr plakativ und einseitig böse gezeichnet, Sullivan führt aber zunehmend Zwischentöne ein.
Insgesamt umfasst der Zyklus sechs zunächst im Eigenverlag, später dann von Orbit neu aufgelegte Romane, denen der Autor zwei weitere Zyklen mit den Jugendabenteuern der beiden Diebe sowie den Geschehnissen um das erste Imperium hat folgen lassen. So warten noch einige weitere Bände mit den Abenteuern unserer Helden auf uns, die der Verlag hoffentlich weiterhin so zeitnah aufeinander folgend präsentieren wird.