Die alten Knacker 1: Die übrig bleiben (Comic)

Die alten Knacker 1
Die übrig bleiben
 (Les vieux fourneaux: Ceux qui restent)
Text: Wilfried Lupano
Zeichnungen: Paul Cauuet
Übersetzung: Tanja Krämling
Splitter, 2015, Hardcover, 64 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-95839-147-5

Von Frank Drehmel

Der Anlass, der die drei alten Freunde Pierrot, Mimile und Antoine zusammenführt, ist ein trauriger: Lucette, Antoines Eherfrau, ist gestorben und Pierrot und Mimile sind zur Trauerfeier geladen. Nach dem obligatorischen Smalltalk im Anschluss an die Beerdigung mit der tendenziell nervtötenden verwandtschaftlichen Bagage setzen sich die drei alten Knacker zunächst ab, um auf einem Spaziergang durch die idyllische Landschaft die guten alten Zeiten in Geschichten wieder aufleben zu lassen.

Den Abend lassen sie dann bei einem kleinen Schnaps und im Schwelgen in Erinnerungen ausklingen, um am nächsten Tag für Antoines Besuch beim örtlichen Notar gerüstet zu sein. Als Memile und Pierrot erwachen, erleben sie jedoch gerade noch mit, wie sich ihr Freund mit seinem Auto aus dem Staub macht. Das rätselhafte Verhalten erfordert einige Nachforschungen: der Notar erwähnt nach eindringlicher und handgreiflicher Befragung einen ominösen Brief Lucettes an ihren Gatten und als sich schließlich Antoine telefonisch  bei seiner Enkelin Sophie, einer hochschwangeren verhinderten Studentin meldet, kommt die Wahrheit ans Licht: Lucette hat ihn vor Jahrzehnten mit einem Mann namens Garan-Servier betrogen. Das eigentlich Unerquickliche: Dieser Garan-Servier war einst der Erzfeind der Clique, denn während die drei Freunde klassenkämpferisch zuwege und gewerkschaftlich organisiert waren, gehörter er zu einer Fabrikbesitzer-Dynastie, die mit ihren Arbeitern einen wenig freundlichen Umgang pflegte. Für Antoine ist dieses Anlass genug, um den Alten in seinem feudalen Pflegeheim in der Toscana aufzusuchen, um ihm mit Hilfe einer alten Schrotflinte das Lebenslicht auszublasen. Und für Pierrot und Mimile bedeutet dies, sie müssen ihrem Freund nachreisen, um das Schlimmste zu verhindern. Doch Antoines Vorsprung ist groß, ihr Auto klapperig und dass sie die hochschwangere Sophie begleitet, macht das Ganze nicht unkomplizierter.

In der Tat birgt die Reise für sie alle neue Erfahrungen sowie einige Überraschungen und als Antonie das Ziel seines Italien-Trips quasi vor Kimme und Korn hat, beginnt sein Zorn zu verrauchen als er erkennt, dass Garan-Servier, anders als ihm selbst und seinen beiden Freunden, nichts anderes als die Erinnerung geblieben ist.


Wie schon in seiner ebenfalls bei Splitter erschienenen Serie „Alim der Gerber“ beweist Autor Lupano erneut ein Gespür sowohl für diffizil gezeichnete Charaktere als auch eine schwungvolle, wendungsreiche Geschichte, wobei „Die alten Knacker“ zusätzlich noch eine große Warmherzigkeit und Menschlichkeit auszeichnen.

Die drei Pensionäre gehören - entgegen Sophies flammender Ansprache - mitnichten zu den bigotten, inkonsequenten, rückschrittlichen, zerstörerischen und maßlosen Zeitgenossen, die es in ihrer Generation sehr wohl geben mag. Im Gegenteil: Mimile. Antoine und Pierrot scheinen sich selbst zu genügen, schwelgen in ihren Erinnerungen, ohne das Hier und Jetzt zu negieren. Sie treten selbstbewusst und klassenkämpferisch auf, leicht versponnen und immer zu Streichen aufgelegt. Die junge Sophie erweist sich im Verlaufe der Reise als ebenso tough, frech und sarkastisch wie die alten Knacker, auch wenn ihr noch die Langmut des Alters fehlt. Die mal lakonischen, mal bissigen oder schwärmerischen Dialoge kommen humorvoll, pointiert und federleicht daher, sodass die Texte eine kurzweilige, unterhaltsame Angelegenheit sind.

Die Wärme  der Geschichte findet im Artwork Cauuets ihre Entsprechung: liebevoll überzeichnete, markante Charaktere, ein leichter Duktus, warme, helle Farben, eine grandiose Präzision in Posen und Mimiken sowie die pittoresken Landschaften nehmen den Leser auch visuell sofort für sich ein. Ein siebenseitiger Einblick in das Skizzenbuch des Künstlers rundet das hinreißende Artwork ab.

Fazit: Eine Geschichte voller Leichtigkeit, Zärtlichkeit und ein klein wenig Wehmut. Ein wundervoller, warmherziges Comic, das einer große französischen Kino-Komödie in nichts nachsteht. Unbedingt lesenswert!