Waisen: Ringo 1 (Comic)

Franco Busatta, Emmiliano Mammucari & Roberto Ricchioni

Waisen: Ringo 1

Am Leben

(Orfani: Ringo 1, 2015)

Titelbild von Emiliano Mammucari

Zeichnungen von Emiliano Mammucari, Luca Maresca

Übersetzung aus dem Italienischen von Monja Reichert

Cross Cult, 2015, Hardcover, 208 Seiten, 16,80 EUR, ISBN 978-3-86425-692-9

Von Christel Scheja

Die italienische Comic-Serie „Waisen“ beschäftigte sich mit dem Schicksal der Jugendlichen, die in Trainingscamps ausgebildet wurden, um eine weitere mögliche Invasion von Aliens zurückzuschlagen und dafür sogar ins All geschickt wurden. Die Vernichtung eines Sechstels der Menschheit hat aber auch die Erde verändert und Spuren hinterlassen. Davon erzählt „Waisen: Ringo“, dessen erster Band, „Am Leben“, nun erschienen ist.

 

Schon vor zwanzig Jahren rebellierten junge Männer und Frauen gegen das damals errichtete Regime von Präsidentin Jsana Juric und fügten diesem schweren Schaden zu, bevor sie zurückgeschlagen werden konnten. Galionsfigur des Aufstands war damals Ringo, ein furchtloser Kämpfer. Doch als er sich zurückzog, weil er von allem genug hatte, brach alles zusammen - nur noch kleine Zellen blieben bestehen.

Nun, zwanzig Jahre später, sitzt die Despotin fester denn je im Sattel. Sie kann sich auf die Treue ihres Stabes und den Schutz durch hoch entwickelte Androiden verlassen. Deshalb überlebt sie auch das Attentat durch drei Jugendliche, die in Neapel ihren Wagen in die Luft jagen wollen. Die beiden Jungen und das Mädchen werden zum Tod verurteilt.

Kurze Zeit später wird Ringo in seinem Versteck aufgespürt. Eine alte Freundin bittet ihn darum, die Kinder zu retten. Natürlich will er erst zynisch ablehnen, erfährt dann aber auch, dass eines davon enger mit ihm verbunden ist, als er bisher wusste. So lässt er sich auf die gefährliche Mission ein, die ihn nicht nur mit der Frage zurücklässt, ob er einen Sohn oder eine Tochter hat, sondern auch wieder in das Visier seiner Erzfeindin bringt. Denn Jsana Juric hat nicht vergessen, was er vor zwanzig Jahren getan hat, und bläst nun zur großen Treibjagd, um ihn ein für alle Mal loszuwerden...


Auch wenn der Hintergrund derselbe ist, hat die Geschichte doch einen ganz anderen Ansatz, dreht sich doch diesmal alles um die auf der Erde zurückgebliebenen Menschen und nicht um diejenigen, die zu Kämpfern ausgebildet wurden.

Die Geschichte ist anfangs eher klassisch. Auf der einen Seite ist da der ernüchterte Freiheitskämpfer, der seine Waffen an den Nagel gehängt hat und eigentlich nur in Ruhe gelassen werden will, auf der anderen Seite sind da die drei Jugendlichen, die noch voller Idealismus und Hoffnungen sind, dass sie etwas dazu beitragen können, das totalitäre Regime zu stürzen - der ideale Ausgangspunkt, um die Figuren näher zueinander zu bringen und voneinander lernen zu lassen. Als pikante Dreingabe gibt es gleich zu Anfang noch eine nette Enthüllung, die Ringo schließlich zum Handeln zwingt, wenn er es nicht seiner Erzfeindin gleich tun will.

Auf der Flucht lernt man nun auch noch weitere Facetten der Welt kennen, und auch der Hintergrund enthüllt sich nach und nach, so dass man auch jetzt wieder problemlos in die Saga einsteigen kann.
Die Handlung erweist sich als überraschend bodenständig. Gerade der Held und das Umfeld sind keine Superhelden sondern Menschen mit Stärken und Schwächen, sie sorgen dadurch auch für überraschende Wendungen im Geschehen und schaffen eine Bindung zum Leser. Jeder zeigt nicht nur zwei oder drei Facetten seines Wesens, sondern genug, um überraschend zu bleiben. Dagegen wirken die Gegenspieler fast schon entmenschlicht, auch wenn die Präsidentin durchaus zu Gefühlsregungen fähig ist, gerade in Bezug auf ihre Besessenheit, Ringo auszulöschen.

Die Treibjagd auf den ehemaligen Freiheitskämpfer wird deshalb für ihn und seine jungen Begleiter zu einer Odyssee durch eine dystopische Welt, in der die Menschen zwar nicht vergessen haben, was sie sind und auch in den Enklaven eine gewisse soziale Wärme existiert, der eigene Überlebenswille aber doch dominiert, wenn es darauf ankommt und Verrat möglich macht.

Wie immer ist die Saga ausgezeichnet umgesetzt: Die Zeichnungen bieten viele Details und lebendige Figuren, die Farben hüllen die Szenarien in die richtige Atmosphäre. Dazu kommt eine vielleicht vertraute, aber doch spannende Handlung, die genau weiß, wann sie umschlagen muss.

„Waisen: Ringo“ schlägt mit „Am Leben“ ein neues Kapitel in der Saga um die durch eine Alien-Invasion veränderte Erde auf und widmet sich nun denen, die zurückgeblieben sind. Eine Schar von sehr unterschiedlichen Helden bewegt sich durch eine Welt, die nicht mehr so ist wie sie einmal war und von einem totalitären Regime beherrscht wird - die beste Grundlage für ein SF-„Roadmovie“, das es in sich hat und der Serie frischen Wind verleiht.