Grit Richter (Hrsg.): Die dunkelbunten Farben des Steampunk (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 14. Juni 2015 10:58
Grit Richter (Hrsg.)
Die dunkelbunten Farben des Steampunk
14 Kurzgeschichten in 14 Farben
Art Skript Phantastik Verlag, 2015, Paperback, 280 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-9450-4502-2
Von Carsten Kuhr
Steampunk wurde vor einigen Jahren als das nächste große Ding gehandelt. Allerdings schien damals zumindest das Publikum die neue Genre-Gattung nicht recht annehmen zu wollen, die Verkaufszahlen der entsprechenden Publikationen der großen Verlage blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Die logische Folge war, dass alle Verlage entsprechende Titel aus ihrem Programm nahmen.
Alle Verlage? Nein, anstelle der merkantilen Schwergewichte stießen die Kleinverlage in die Lücke, propagierten die Mischung aus viktorianischen Leben, Dampferfindungen und magischen Fluidum. Wo die großen der Branche scheiterten, da obsiegten die Kleinverlage, schufen eine muntere Szene, in der sich Leser, Fans und Verleger gegenseitig befruchten.
Grit Richters Art Skript Phantastik Verlag ist schon seit einiger Zeit im Steampunk-Genre aktiv. In bislang drei Anthologien hat die Herausgeberin und Verlegerin Autoren aufgefordert, ihr Geschichten einzureichen und diese in großformatigen Paperbacks publiziert.
Vorliegend hat die Verlegerin darüberhinaus versucht, dem Leser eine weitere Besonderheit mit auf den Weg zu geben. Jede Erzählung wurde in einer anderen Farbe gedruckt, einer Farbe, die in einer Beziehung zum Inhalt der Geschichte steht und diese auch optisch umsetzt und so die Wirkung der Wörter verstärkt. Das ist neu, kennen wir bislang kaum. Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ wurde mehrfarbig gedruckt, auch einzelne Novellen K. J. Parkers in den USA wurden zweifarbig aufgelegt, aber eine Anthologie, die komplett in unterschiedlichen Farben vorliegt, ist ein Novum.
Auch wenn sich die Texte so manches Mal aufgrund der farblichen Ausführung etwas ungewohnt lesen lassen, hat Richter darauf geachtet, dass der Kontrast deutlich genug ausfiel, um die Lektüre nicht zu anstrengend zu gestalten.
Inhaltlich warten in den vierzehn Geschichten ganz unterschiedliche Beiträge auf uns, die geradezu exemplarisch aufzeigen, wie vielfältig die Welt aus Dampf und Magie sein kann. Auffällig ist, dass die Novellen und Kurzgeschichten alle stilistisch überzeugen. Auch die sorgfältige handwerkliche Gestaltung sowie das Lektorat seien erwähnt.
Was aber erwartet den Käufer im Einzelnen?
Den Auftakt macht Detlef Klewers „Silberne Augengläser“, in dem er eine sehr selbstbewusste Amerikanerin London heimsuchen lässt. Dass die junge Frau nicht nur kämpfen sondern auch denken kann, erweist sich angesichts einer kosmischen Bedrohung als mehr als geschickt.
In Stefanie Benders „Rosaroter Dampf“ begegnet uns der junge Adam Opel. Er hat eine revolutionäre Nähmaschine erfunden, ist dann aber auf der Suche nach dem ewigen Leben einem Succubus in die Hände gefallen. Ob ihre gemeinsame Erfindung, die verbotenerweise Mechanik mit Magie kreuzt, wirklich ewige Jugend schenken kann?
Der Teufelsatem bringt den Geplagten in Corinna Schattauers „Rot wie Teufelsatem“ das Vergessen. Doch die Droge kann die Erinnerungen an die ermordete Frau und Tochter nicht aus Jonathans Kopfe vertreiben. Als ein Daimon in einem der modernen, mechanischen Körper ihre Hilfe anbietet um den Kontakt ins Jenseits herzustellen, ist es bereits viel zu spät für unseren Abhängigen.
Emmerich, Privatdetektiv im inoffiziellen Dienst des Fürsten von Bismarck, besucht in Katharina Fiona Bodes „Erasmus Emmerich und der zinnoberrote Zinnsoldat“ seinen Freund, einen genialen Erfinder. Dass dieser einen Wutgeist freigesetzt hat, der nun nach und nach so manches Unbelebte im Hause des Erfinders aus seinem Schlummer erweckt, erweist sich als höchst ungeschickt.
Marcus Cremers „Archibald Leach und das Grauen in Orange“ führt uns ins viktorianische London, das von einem organenen, botanischen Gezücht förmlich überrollt wird. Doch wer steckt hinter dem Anschlag und wie kann man die Metropole wieder befreien?
In Isabelle Wallats „Helena Roth und die grasgrüne Seide“ hat die Gebrüder Baumann KG den Textilmarkt mit ihrer grünen Seide förmlich überrollt. Dass der Stoff auch dazu dient, die Menschen die sich mit ihm schmücken zu beeinflussen, fällt nur der Konkurrenz auf die der Bedrohung Herr zu werden versucht.
Andrea Bieneks „Biggels Gespür für Moos“ berichtet uns vom Aufeinandertreffen einer Dschinn und eines Wechselbalges, die beide in denselben Mann verliebt sind. Doch wie kann dieser die beiden äußerlich so gleichen Wesen unterscheiden, und wer der Beiden ist eine Mörderin?
Denise Mildes’ „Marinikum Amethysta“ berichtet uns von einem Deutschen Reich, das sich Dank des Fundes eines ganz besonderen Metalls zum unumstrittenen Weltmachtführer aufgeschwungen hat. Doch alles hat seinen Preis – wie der Besuch eines besorgten Vaters in der unterseeischen Fabrik in der Ostsee beweist.
In Ashley Kalandurs „Aconitum Napellus Dunkelblaues Gift“ begegnen wir einem jungen Mann, einem Jäger der unnatürlichen Wesen, der von einem dieser Bestien tödlich verletzt wird – bis er in seinem Bett wieder zu sich kommt und erkennen muss, dass er sein Erbe angetreten hat und sich den Seinen anschließen muss.
Louis Philippe I., König von Frankreich, wünscht sich in Dennis Freys „Ein Traum in Königsblau“ nichts mehr als einen Mantel in einem neuen, noch nie gesehenen Blau, eine Farbe, die es nie zuvor gegeben hat. Der Erfinder des färbenden Webstuhls soll ihm seinen Wunsch erfüllen; allein, dazu benötigt er die Hilfe einer Suffragette und eines Nachtmähre.
Einst hieß die Stadt Buenos Aires. Jetzt erinnert wenig an die schöne Stadt, jetzt liegt immerwährend ein dunkler grauer Schleier über allem. In Sabrina Zeleznýs „Das Türkis des vergessenen Sommers“ begegnen wir einer jungen Frau, die den reichen Familien das bringt, was in der Stadt fehlt: Farben. Und wir erleben mit, wie die Botin der Versuchung nachgibt, auch einmal nur die Farben zu erblicken.
Die Suche nach Wasser in der Wüste erweist sich für eine Expedition in Daniel Schlegels „Hellbraun Leben oder Tod“ als gefährlich – weckt die Freilegung des Nasses doch einen dämonischen Wüstengeist, der im feurigen Leib einer Ziege gekleidet dem Treiben ein Ende bereiten will.
Daniel Husters „Die bronzene Silbermünze“ präsentiert uns einen jungen Zauberer, der verzweifelt bemüht ist, seinen verkrüppelten Vater und sich durchzubringen. Als sie ein neidischer Konkurrent aus ihrem Unterschlupf vertreiben will, macht er sich seiner ihm bis dahin nicht bewussten magischen Kräfte nutzbar.
Fabian Dombrowskis „Die graue Einöde des Vergessens“ wandelt auf den Spuren eines Indiana Jones. Tief in einem vergessenen Tempel inmitten des Urwalds soll die „Argo“, das legendäre Fährschiff des Todesgottes liegen. Ein Abenteurer-Paar macht sich an die Hebung des Schatzes und findet dabei mehr über die Vergangenheit heraus, als gewollt.