Avengers Heldenfall (Comic)

Brian Michael Bendis
Avengers: Heldenfall
(Avengers 500-503: Chaos, Part 1-4 + Avengers Finale 1, 2004/2005)
Aus dem Amerikanischen von Steve Kups
Titelillustration von David Finch
Zeichnungen von David Finch, Danny Miki, Frank D’Armata u.a.
Panini, 2015, Paperback, 164 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-95798-385-5

Von Irene Salzmann

Nachdem nun schon der zweite „Avengers“-Film in die Kinos kam, konzentriert sich Panini nicht nur auf die laufenden Comic-Serien dieses Titels, sondern publiziert außerdem ältere Mini-Story-Arcs ein zweites Mal im Paperback-Format: sogenannte „Meilensteine“, in denen entweder Bezüge zu den Filmen zu finden sind oder die einfach richtungsweisend für das Team waren, so auch „Heldenfall“ aus den Jahren 2004/2005.

Seltsame und fatale Vorkommnisse erschüttern die Avengers: Bei einer öffentlichen Rede greift Tony Stark alias Iron Man den Botschafter von Latveria verbal an, was zu einem Eklat führt. Auf dem Gelände der Avengers taucht der verstorbene Jack Hart auf, explodiert und tötet dabei Scott Lang alias Ant-Man, das Anwesen wird verwüstet. Ein alter Quinjet stürzt auf die Reste des Hauptquartiers, ihm entsteigt Vision und erweist sich als eine Art trojanisches Pferd, dessen Überreste von Jennifer Walters, She-Hulk, die Amok läuft, zerrissen werden. Plötzlich erscheinen Schiffe der Kree und greifen die Avengers an, die Verstärkung von ehemaligen Mitgliedern erhalten haben, und Hawkeye opfert sich.

Noch immer scheint die Tragödie kein Ende zu nehmen. Die geschockten Avengers rätseln, wer über die Macht verfügt, ein solches Chaos zu verursachen, dem sie kaum etwas entgegenzusetzen haben. Das Erscheinen von Dr. Stephen Strange bringt endlich Klarheit und lenkt den Fokus auf jemanden, von dem sie dies niemals erwartet hätten: Der Verräter ist einer der ihren, und die Gründe für diesen Ausbruch puren Wahnsinns sind nicht minder erschütternd. Es kommt zu einem Kampf, der das Ende der Avengers zur Folge hat…

Langjährige Leser und Sammler kennen die Geschichte natürlich, die weitere folgenreiche Entwicklungen eingeleitet hat. Die Avengers werden von einem langjährigen Mitglied gewissermaßen besiegt, das die Kontrolle über sich und seine Kräfte verloren hat. Es gibt viele Opfer zu beklagen, doch bekanntlich muss kein Comic-Held auf ewig sterben, wie man spätestens seit den aktuellen Heften weiß.

Die Handlung ist geschickt und dramatisch aufgebaut. Erst häufen sich die eskalierenden Katastrophen, die Avengers werden verzweifelt und uneins gezeigt, und auch Dr. Strange, der zu spät von den Ereignissen erfuhr, um das Desaster eindämmen zu können, macht es spannend, indem er die Auflösung in Form von Rückblenden präsentiert. Dann ist alles klar, denn nur einer aus dem Team besitzt die Macht, Einfluss auf die Realität zu nehmen. Zu viele persönliche Schicksalsschläge belasteten eine äußerst fragile Psyche und gipfelten in den fatalen Geschehnissen – sowie einer Hommage an den Psycho-Thriller „Psycho“; nette Idee. Danach bleibt den Beteiligten nur noch, die Konsequenzen zu ziehen und die Toten zu betrauern.

Zeichnerisch ist David Finch („Aphrodite IX“) zusammen mit Inker Danny Miki und Kolorist Frank D’Armata federführend. Ihre Arbeiten sind einfach grandios und unterstützen gelungen die Handlung. Die Rückblenden wurden (sehr viel) älteren Heften entnommen und montiert. Beispielsweise findet man hier Illustrationen der Altmeister, quasi ein Who Is Who der Comic-Künstler, darunter Stan Lee, Jack Kirby, John Byrne, Alan Davis und andere mehr, deren Namen man ausnahmslos aus zahlreichen Heften kennt, die den Fans beste Unterhaltung bescherten.

Für Neu-Leser, die vor allem durch die Filme auf die Avengers aufmerksam wurden, ist es gewiss eine gute Gelegenheit, durch die Paperbacks mehr über das Helden-Team und seine Hintergründe zu erfahren. Allerdings tauchen in „Heldenfall“ so viele (ehemalige) Mitglieder, Verbündete und Gegenspieler auf, es fallen endlos viele Namen, Bezüge zu vergangenen Ereignissen werden geknüpft, sodass jenen, die sich überhaupt nicht auskennen, der Kopf schwirren dürfte. Für treue Sammler hingegen gibt es viele Aha-Effekte, doch da man vermutlich die Einzelhefte bereits besitzt, wird man sich den Kauf des Nachdrucks sparen.

Von daher kann man den Band eigentlich nur einem Kreis empfehlen, der zumindest über einige Vorkenntnisse verfügt und/oder gewillt ist, tiefer in die spannende Welt der Avengers einzutauchen, was heißt, dass er weitere Hefte erwerben und seine Wissenslücken auffüllen möchte.