Sandman Ouvertüre 1 (Comic)

Sandman Ouvertüre 1
(Sandman: Overture 1-3)
Text: Neil Gaiman
Zeichnungen: J. H. Williams III.
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Panini, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 124 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-95798-253-7

Von Christel Scheja

Unter der Führung von Neil Gaiman hat sich „The Sandman“ in den 90er Jahren zu einer bahnbrechenden Kultserie entwickelt, denn der britische Autor wagte es, die Figur, die eigentlich in das Superhelden-Universum gehört, mit eigenen Leben zu erfüllen und ihm eine mystische Seite zu verleihen. Damit wurde ein Universum geboren, das nicht nur von der Phantasie seines Autors, sondern auch vielen literarischen Zitaten lebte. Nun ist er mit der sechsteiligen Miniserie „Sandman Ouvertüre“ zu der Geschichte zurückgekehrt, die ihn so erfolgreich machte. Panini legt die ersten drei Hefte in einer Graphic Novel vor.

Morpheus alias „Dream“ oder „Der Herr der Träume“ ist einer der sieben Ewigen und gehört damit zu den mächtigsten Wesen des Universums. Allerdings hat er einst sein Leben gegeben, um die Schöpfung zu retten und eine andere Inkarnation ist an seine Stelle getreten. Allerdings weiß Morpheus bis heute nicht, wer ihn eigentlich getötet hat und verlässt daher die Sphäre, in die er nach seinem Ableben gegangen ist, um genau das herauszufinden. Begleitet wird er von einem anderen „Dream“ in Katzengestalt, Auf der Reise sammelt er die junge Hope auf, ein Mädchen, das mehr als nur die Hoffnung zu verkörpern scheint.

Zugleich blickt er aber auch auf sein Leben zurück, um nach den Schuldigen zu suchen. Dabei kommen viele seiner Geheimnisse ans Licht – und Episoden seines Lebens, die bisher niemand kannte, aber zu Schlüsselerlebnissen wurden. Erstmals erfährt er, warum er überhaupt von dem Magier Roderick Burgess eingekerkert werden konnte, und warum es ihm nicht möglich war, sich aus eigener Kraft zu befreien. Wie immer wird er auch von seinem Geschwistern berührt, die eine eigene Agenda in seinem Leben haben.

Ob „Sandman Ouvertüre“ wirklich eine reine Vorgeschichte ist, darf bezweifelt werden, denn schon der Auftakt der Saga gleitet in der Zeit hin und her, erzählt viele kleine Episoden, ehe sich ein Haupthandlungsstrang herauskristallisiert. Auch Neil Gaiman macht deutlich, dass er hier nicht strikt nach dem Plan vorgeht, sondern eher die Gelegenheit nutzt, Details einzubringen, die in der eigentlichen Serie keinen Platz mehr hatten.

Auch nach der langen Pause ist der Autor immer noch fest in seinem Universum verwurzelt. Er bringt viele der alten Figuren ein, erweckt das Universum mit nur wenigen Worten zum Leben und gestaltet es weiter mit kleinen aber feinen Details aus, so dass die Mythologie, die hinter dem Sandman steckt, nicht nur wieder auflebt, sondern auch neue Facetten erhält.

Wie auch schon in der alten Serie liegt der Reiz der neuen Geschichten in dem, was nicht offen zu erkennen ist, sondern eher zwischen den Zeilen durchschimmert. Die Graphic Novel ist keine leichte Lektüre, sie fordert durchaus entsprechende Aufmerksamkeit und zwingt dazu, sich die Panels sehr genau anzusehen, die sämtliche Konventionen durchbrechen und oft ineinander fließen – oft sind sie im Zusammenhang einer Doppelseite zu sehen.

Die Figuren sind so, wie man sie kennt, die Ewigen bleiben weiterhin magische und kryptisch, dafür gibt es aber einfache Menschen, durch die der Leser leichter Zugang zu den anderen Charakteren findet. Dazu gehört das junge Mädchen, das sich seine eigenen Gedanken um Dream macht und mit Sicherheit auch seine eigenen Geheimnisse besitzt.

Zeichnungen und Farben passen zu der Geschichte, man merkt, wie eng die drei Künstler zusammengearbeitet und sich gegenseitig inspiriert haben. So wird aus den Geschichten mehr als ein einfacher Comic, es entsteht ein Gesamtkunstwerk.

Als Bonus gibt es Interviews und auch einen Einblick in die Gestaltung der Seiten – vor allem die farbliche –, in einem Bonusteil kann man unterschiedliche Variationen miteinander vergleichen.

„Sandman Ouvertüre“ ist für den Fan sehr befriedigend, ein Einstieg in die Saga ist allerdings nicht möglich, weil viel Wissen vorausgesetzt wird.

Wer die „Sandman“-Serie mochte, der kommt auch an „Sandman Ouvertüre“ nicht vorbei. Die neue Miniserie ist ebenfalls auf dem Weg, ein Klassiker zu werden, denn auch nach vielen Jahren Pause bewegt sich Neil Gaiman so sicher wie immer im Universum der Ewigen und weiß genau, welche Mythologien er wann einbringen muss. Wie früher liegt die Spannung im Unausgesprochenen und lässt so die Lektüre zu einem Erlebnis werden.