Ralf Boldt: Der Temporalanwalt (Buch)

Ralf Boldt
Der Temporalanwalt
Titelbild und Illustrationen: Lothar Bauer
p.machinery, 2014, Taschenbuch, 188 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-95765-016-0

Von Armin Möhle

„Der Temporalanwalt“ ist Hans-Peter Grießau, der seine ‚Spezialisierung‘ bei einem Grundstücksgeschäft erlangt, bei dem der Käufer zweimal auftaucht… Auf jenem (überteuerten) Grundstück im Ammerländer Moor will Harm Meesters eine Temporalkuppel errichten, da im Ammerländer Moor eine „Temporale Aufrisslinie“ (Seite 24) verläuft, die Zeitreisen möglich macht – die Temporalkuppel soll sie lediglich steuern.

Zunächst bekommt Hans-Peter Grießau ein, zwei Fälle auf den Schreibtisch, in denen Mitarbeiter Meesters Zeitparadoxa für sich ausnutzen beziehungsweise in seiner Gegenwart stranden. Dann beginnt der Bau der Temporalkuppel, und die Handlung plätschert ein wenig vor sich hin. Eine (erste) Wendung tritt ein, als dem Temporalanwalt ein Datenchip zugespielt wird – der sich jedoch als wenig spektakulär erweist, da er die Aufzeichnungen eines Projekt-Mitarbeiters enthält, der als Zeitreisender das dritte Jahrhundert erreicht. Und beschließt, dort zu bleiben, der Liebe und des einfachen Lebens wegen.

Okay, das kann man machen. Für manchen wäre freilich schon die medizinische Versorgung der Gegenwart ein gewichtiges Argument gegen einen solchen Schritt. Von der Annehmlichkeit einer Zentralheizung und dem Reiz einer gut sortierten Biblio- oder meinetwegen auch Videothek will man nicht reden…

Eine erneute und ungleich dramatische Wendung nimmt „Der Temporalanwalt“, als Hans-Peter Grießau einer Verschwörung auf die Spur kommt – nicht selbst, sondern mit der Hilfe der israelischen Geheimagentin (sic!) Josepha Visser. Das Geschehen wird deutlich actionreicher. Welche Ziele Harm Meesters mit der Zeitforschung tatsächlich verfolgt und was seine Motive sind, bleibt freilich im Dunkeln.

„Der Temporalanwalt“ nimmt nicht für sich in Anspruch, die Auswirkungen von Zeitparadoxa konsequent schildern zu wollen. Der Roman greift konventionelle Motive auf. Der Autor ist sich der logischen Lücken, die die Handlung aufwirft, durchaus bewusst und versucht, sie mit dem besonderen Charakter der Zeit zu kaschie… äh… zu erklären. Mit dem Beharrungsvermögen der Zeit und der Bindung historischer Ereignisse an ihre geografischen Koordinaten gelingt es ihm immerhin, einige jener Klippen zu umschiffen.

Es ist falsch, „Der Temporalanwalt“ (nur) als Zeitreiseroman bezeichnen zu wollen – das Buch ist auch ein Episodenroman, der vor allem unterhalten will. Mit seiner Entscheidung, den Roman im heimatlichen Oldenburger Land spielen zu lassen und mit Lokalkolorit auszuschmücken, hat der Autor durchaus Science-Fiction-Geschichte geschrieben. Mit der Figur des Temporalanwalts natürlich auch – ob beides über den deutschsprachigen Sprachraum hinaus zur Kenntnis genommen wird, will man hier nicht erörtern.

Der Roman ist flüssig und stilsicher geschrieben; für ein Erstlingswerk ist das eine beeindruckende Leistung. Erfahrene Leser werden in „Der Temporalanwalt“ jedoch weder neue Handlungselemente (ein Anspruch, der sehr hoch gesteckt wäre, zugegeben) noch eine stringente und logische Schilderung einer Zeitreise und/oder ihrer Auswirkungen vorfinden. Was nicht durch das Lokalkolorit aufgewogen wird.