Thomas Thiemeyer: Devil's River (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 11. März 2015 10:17
Thomas Thiemeyer
Devil’s River
Titelillustration von Miles Ertman
Knaur, 2015, Paperback, 510 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-426-51715-4 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Eigentlich scheint das Leben von Eve vorgezeichnet zu sein; sie kommt aus einem gutbürgerlichen Haus, ist mit einem Bank-Manager verlobt, dem sie ins schottische Edinburgh folgen soll; Hochzeit und Kinder stehen auf dem Plan, dann Einladungen der besseren Gesellschaft – und doch wird alles ganz anders kommen. Ihre Emanzipation von der dominierenden Mutter beginnt mit der Eröffnung des Testaments ihrer als extravagant verschrienen Großmutter. Diese vermacht ihrer Lieblingsenkelin ihr Anwesen und einen altertümlichen Schlüssel. Eve muss das ganze Haus durchsuchen, bis sie auf eine alte Reisetruhe stößt, in der sie die Aufzeichnung der Verstorbenen über die Ergebnisse ihrer Ahnenforschung stößt. Die nächsten 48 Stunden verbringt Eve damit, die Ermittlungen über das Leben ihrer Ururgrossmutter zu verschlingen.
Willkommen im Kanada des Jahres 1878. Ein Serienkiller macht die Grenze zwischen den USA und Kanada unsicher. Immer wieder verkleidet sich der ehemalige Kriegsheld als Arzt oder Priester und erwürgt im Drogenrausch blonde Frauen, bevor er das Weite sucht. Eine Gruppe von Verfolgern heftet sich an seine Spuren, verfolgt den Flüchtigen über die Grenze nach Kanada und ins Indianerland. Hier, weitab von dem weißen Mann, haben sich die Ojibwe zurückgezogen, leben sie ein friedvolles Leben im Einklang mit der Natur. Ihre weise Frau aber ist eine Weiße. River ging bei der Stammes-Schamanin in die „Lehre“, seit der Stamm sie, nachdem ihre Eltern ermordet wurden, bei sich aufgenommen hat. An ihre Eltern hat sie keine Erinnerung mehr, als sie eines Tages in das offensichtlich in Panik verlassene Dorf zurückkehrt. Etwas Böses, etwas aus Haut und Knochen, hat ihr Dorf heimgesucht, die besten Krieger enthauptet und ihre Köpfe als Trophäen mitgenommen. Alleine ist sie zu schwach um das Böse zu stellen und zu bannen, das weiß sie. Als sie auf die Häscher und den inzwischen gefangengenommenen Killer trifft, ködert der Gefangene sie mit dem Satz „Es bedarf eines Ungeheuers, um ein Ungeheuer zu töten“ – ein Angebot, das sie nicht ausschlagen kann…
Ich kenne und schätze Thomas Thiemeyer als Autor nun schon recht lange. Im Jugendbuch-Bereich hat er mit den „Chroniken der Weltensucher“ Steampunk-Elemente mit packenden Abenteuern verbunden (Loewe), im Bereich des phantastischen Thrillers konnte er vornehmlich mit in Afrika angesiedelten Blockbustern punkten. Immer dann, wenn er in ferne Gegenden, gleich ob er uns in den Dschungel, die Wüste oder das ewige Eis, entführt, konnte er mich an die Seiten fesseln und mit seiner Geschichte packen. Dabei vermochte er es stets, markante Gestalten mit einer wunderbar beschriebenen Natur zu paaren.
In „Devil’s River“ geht er ein wenig anders vor, als wir dies von ihm gewohnt sind und erwarten. Ausgehend von einer Rahmenhandlung im Hier und Jetzt erzählt er uns die Geschichte einer Jagd nach einem Killer in einem Umfeld, das wir aus unzähligen Western zu kennen glauben. Indianer, Sheriffs, dazu Agenten von Pinkerton und ehemalige Konföderierte – die Versatzstücke kommen uns auf den ersten Blick sehr bekannt vor. Ungewöhnlich erweist sich dann zunächst das nähere Setting: Nicht etwa der Wilde Westen, die hügelige Weiten des Mittelwestens sondern die Grenzregion zwischen den USA und Kanada, die sich zu dieser Zeit nicht eben grün sind, dient als Handlungsort.
Auch die Beschreibung der Figuren weicht vom Üblichen ab. Die Indianer werden differenziert beschrieben, jede der Figuren wird mit einem glaubwürdigen Hintergrund ausgestattet und handelt dann diesem folgend entsprechend glaubwürdig. Dabei gelingt es dem Autor immer wieder eine neue Facette des Charakters der Gestalt zu präsentieren und uns mit Geheimnissen zu überraschen. Erst spät, fast schleichend, dann aber mit der Wucht eines Tornados, wird das Übernatürliche in den Plot eingeführt. Dabei vermeidet der Autor geschickt abgegriffene Topics – den Wendigo sucht man ebenso vergebens wie Vampire oder Werwesen –, stellt uns ein dunkles Wesen vor, das überzeugend in die Kultur der Indianer integriert ist, und das bestialische agiert. Einzig die etwas vorhersehbare, zu melodramtische Rahmenhandlung passt nicht ganz ins Bild. Ansonsten legt Thomas Thiemeyer einen stimmigen, rasanten und packenden Thriller vor, der den Leser seine Umgebung vergessen lässt.