Utopia – Season 1 Box (DVD)

Utopia – Season 1 Box
GB 2013, Regie: Marc Munden, Alex Garcia Lopez & Wayne Yip, mit Fiono O'Shaugnessy, Alexandra Roach, Nathan Steward-Jarrett u.a.

Von Christel Scheja

„Utopia“ ist eine düstere Fernsehserie, die ausnahmsweise einmal nicht von der BBC, sondern von Channel 4 produziert wurde. Alles dreht sich um eine geheimnisvolle Graphic Novel mit dem Titel „Das Utopia-Experiment“, die schon im ersten Band für Zündstoff sorgte und geheimnisvolle Leute auf sich aufmerksam machte. Nun geht es darum, das Manuskript der zweiten Geschichte aus dem Verkehr zu ziehen, bevor die dortigen Enthüllungen ans Licht der Öffentlichkeit kommen...

Die Serie wurde 2013 in England ausgestrahlt und im deutschen Bezahlfernsehen 2014. Nun endlich ist die erste Staffel auch auf DVD erhältlich.

„Das Utopia-Experiment“ hat viele Anhänger, und das nicht ohne Grund. Große Teile der Graphic Novel lesen sich nämlich so, als wären die Dinge wirklich so abgelaufen, wie der Künstler das andeutet, als würde tatsächlich eine Gruppe von Wissenschaftlern hinter den Kulissen die letzten großen Epidemien gesteuert haben. Auch Ian, Becky und Wilson gehören zu den Fans, die regelmäßig in einem Forum und dem dazugehörigen Chat diskutieren. Sie sind ganz aus dem Häuschen, weil ganz offensichtlich noch ein weiterer Teil existiert, wenn auch bisher nur als Manuskript. Die geheimnisvolle Jessica Hyde deutet an, dass sie genauere Ahnung über den Inhalt hat und lädt deshalb zu einem spontanen Treffen ein.

Doch das läuft anders als erwartet, denn die vier Schicksalsgefährten sind plötzlich nur noch Flüchtlinge. Geheimnisvolle Bewaffnete stellen ihnen nach und scheinen keine Skrupel zu haben, bringen jeden um, der auch nur eine Ahnung von der Existenz des zweiten Manuskripts hat. Das haben schon die Besucher eines heruntergekommenen Vorstadt-Comicshops schmerzhaft erfahren müssen. Nur der elfjährige Grant überlebt das Massaker. Doch ausgerechnet er ist der derzeitige Besitzer des Manuskripts. Um Annie, eine Klassenkameradin, zu beeindrucken, verleiht er es auch noch an sie.

Jessica enthüllt den vieren, dass sie nun alle im Visier einer Pharmaziegruppe stehen, die sich „The Network“ nennt. Sie weiß nur soviel, weil ausgerechnet ihr Vater Teil der Verschwörung ist und sie vor Jahren mit dem Zeichner des Comics gerettet werden konnte. Da sie die Gefährlichkeit ihrer Gegner kennt, zeigt sie keine Skrupel. Die anderen müssen schon bald lernen, dass diese Kaltschnäuzigkeit der einzige Weg ist, zu überleben, denn von nun an können sie niemandem mehr trauen. Selbst hinter einem so normalen Gesicht kann ein Auftragskiller stecken wie der eiskalte Arby einer ist…

Visionäre Autoren und Künstler wissen es schon lange. Regierungen und Wirtschaft, Wissenschaft und Technik arbeiten hinter den Kulissen eng zusammen. Nicht alle Entwicklungen werden dabei der Öffentlichkeit vorgestellt, vor allem nicht diejenigen, die der Menschheit schaden könnten oder einer kleinen Gruppe Macht über viele geben würden. Verschwörungstheoretiker sehen deshalb nicht ohne Grund hinter jeder auffälligen Epidemie oder scheinbar grundlosem Massensterben von Pflanzen und Tieren das Wirken von Leuten, die längst jeden Skrupel verloren haben und sich auch nicht scheuen, die aus dem Weg zu räumen, die ihnen auf die Schliche kommen könnten.

„Utopia“ greift genau diese Themen auf. Eine einfache Graphic Novel sorgt nicht nur unter den Nerds und Geeks für Furore, sondern schreckt auch Kräfte auf, die um jeden Preis verhindern wollen, dass die Fortsetzung erscheint, wissen sie doch genau, warum. Denn der unbekannte Künstler der Geschichte war selbst einmal Teil von „The Network“ und ist an dem zerbrochen, was er mitansehen musste.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht deshalb eine Gruppe ganz normaler junger Leute, die bisher ein eher uninteressantes und langweiliges Leben geführt haben und nun damit konfrontiert werden, dass das, was sie nur für Fiktion gehalten haben, bittere Wahrheit ist und ihr Leben bedroht. Ihre Leitfigur ist zunächst die geheimnisvolle Jessica Hyde, doch können sie der jungen Frau, die mehr über alles weiß, wirklich trauen? Sollten sie sich nicht besser an die bekannten Autoritäten halten – wie den britischen Geheimdienst oder die Polizei?

Die vier sind auf der Flucht, müssen sich in der Folge noch um zwei Kinder kümmern, die ebenfalls mit dem Manuskript in Berührung gekommen sind und dabei viele Moral-Vorstellungen über Bord werfen, denn der Tod ist um sie herum allgegenwärtig. Letztendlich können sie am Ende niemandem mehr trauen, nicht einmal sich selbst, denn sie sind mehr als einmal gezwungen, sich gegenseitig zu verraten. Und das ist in der Serie ständig spürbar. Sie besitzt nicht ohne Grund eine Altersfreigabe ab 18. Gewalt und Grausamkeit ist in jeder Folge allgegenwärtig, und es sind nicht nur die „Bösen“, die dabei ihr Leben verlieren. Gerade am Anfang müssen im Comicshop und in einer Schule Unschuldige sterben, selbst Kinder.

Jessica Hyde handelt oft nicht anders als ihre Gegenspieler, die sich in den Schatten bewegen und hinter Masken verstecken. Denn sie ist geprägt von dem, was sie selbst erlebt und erfahren hat. Doch auch sie kennt nicht die ganze Wahrheit.

Wie so oft bei den Briten ist auch hier keine Figur wirklich sicher und muss jederzeit damit rechnen, zu sterben. Zynisch und grausam wird man in eine Welt eingeführt, die gar nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt ist. Denn kann man sich wirklich sicher sein, dass nicht irgendwelche Wissenschaftler längst Dinge entwickelt haben, mit denen sie der Menschheit deutlichen Schaden zufügen oder der Freiheit berauben könnten? Natürlich ist das alles in eine dramatische Handlung eingebettet, in eine Verschwörung, wie sie typischer nicht sein könnte – aber gerade dadurch nachvollziehbar wird.

Auch die Figuren sind interessant gestaltet; gerade die bisher Unbescholtenen entwickeln sich im Verlauf der Folgen weiter. Je mehr sie über die Verschwörung im Hintergrund erfahren, desto mehr haben sie Verantwortung zu übernehmen und das ist eine Herausforderung, die auch ihren Charakter in Frage stellt – werden sie das aushalten und so weiterleben können wie bisher, entwickeln sie sich in die Richtung, die Jessica bereits eingeschlagen hat oder aber zerbrechen sie an dem Wissen?

Die Serie ist daher trotz aller Action und einer zunächst überschaubaren Handlung starker Tobak, regt sie doch gerade durch Thema und Inhalt zum Nachdenken an und berührt zutiefst, gerade wenn man selbst schon ähnliche Gedanken hatte. Science-Fiction- und Thriller-Fans werden jedenfalls voll auf ihre Kosten kommen, gerade wenn sie düstere und dystopische Geschichten mögen, die so nahe an der Realität sind, dass man sie am liebsten glauben möchte. Leichte Unterhaltung, die einen entspannt und aufheitert, sollte man deshalb nicht erwarten, eher eine Geschichte, die schon in der ersten Folge an die Nieren geht und auch später immer wieder kontroverse Gefühle weckt. Das merkt man auch den Extras an, in denen die Macher über die Idee zur Serie berichten und einen Einblick in die Dreharbeiten erlauben.

Alles in allem dürfte „Utopia“ schon in der ersten Staffel vor allem die Zuschauer ansprechen, die nicht nur düstere und zynische Thriller mögen, sondern auch kontroverse Geschichten, die weniger unterhalten und entspannen, als zum Nachdenken anregen. Denn das bietet die Serie in vollem Ausmaß, ohne jemals zu übertreiben oder unrealistisch zu werden.

DVD-Facts:
Bild: 2,40:1 (16:9 anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0
Untertitel: deutsch, englisch

DVD-Extras:
Audiokommentar, Featurettes, entfernte Szene