Interviews

Im Gespräch mit: Steffen Janssen

Steffen Janssen hat 2011 den LUZIFER-Verlag gegründet. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat sich nach 2013 jetzt ein weiteres Mal mit dem Inhaber über die Entwicklung seither sowie das aktuelle und kommende Programm unterhalten.


Hallo Herr Janssen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, waren Sie einst, vor gar nicht einmal zu langer Zeit, im Lebensmitteleinzelhandel beruflich tätig. Was veranlasst einen Geschäftsführer mit sicherem Einkommen, festen Sozialleistungen und Jahresurlaub den wagemutigen Schritt in die Selbständigkeit, noch dazu als Verleger zu wagen?

Hallo Herr Kuhr. Dieser Schritt war weder geplant, noch bewusst vollzogen. Aufgrund einer Erkrankung in 2011 hatte ich einige Monate Zeit, mir zu überlegen, wie die nächsten Jahre in meinem Leben aussehen sollten. Und da die ersten vorsichtigen Schritte im Verlagswesen bereits gesetzt waren - und mit großem Rückhalt meiner Frau - wagte ich einfach den Sprung mitten hinein. Dass sich dieser Wandel letztlich positiv entwickelt hat, freut mich und meine Familie heute umso mehr, denn ich kann proaktiv am Aufwachsen meiner Tochter teilhaben und bin nicht nur „derjenige, den man abends mal sieht und der irgendwie Geld nach Hause bringt“.

Vor ein paar Jahren machte ein neuer Verlag von sich reden - Luzifer nannte er sich, ein ungewöhnlicher, ein neugierig machender Name. Wie kam es zur Namensgebung?

Schnapsidee. Buchstäblich. Denn wer hätte es je für möglich gehalten, dass sich daraus mal ein „richtiger Verlag“ entwickelt? Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass gerade dieser Name ein sehr starker Impuls in der schnellen Entwicklung des Verlages war. Ich erinnere mich an ein Treffen mit einem Literaturagenten auf der Frankfurter Buchmesse vor ein paar Jahren, mit dem ich am Abend unseres Gespräches noch einmal kurz telefonierte und der sagte: „Herr Janssen, ich hatte heute bestimmt 50 Termine mit Verlagen. Aber im Kopf behalten habe ich Ihren Verlagsnamen.“
Danach war das zähe Thema: Verlagsname ändern oder nicht - Geschichte.

Die ersten Programme konzentrierten sich auf die Herausgabe von Werken die man der Weird Fiction zuordnen kann von deutschsprachigen Autoren. Dabei haben Sie mit Michael Dissieux und Arthur Gordon Wolf zwei Autoren aufgebaut, die sich seitdem einen festen Platz in den Buchhandlungen erobern konnten. Was hat Sie dazu verleitet, zunächst auf einheimische Autoren und auf die Spielart der unheimlichen Literatur zu setzen?

Die unheimliche Literatur war mein ganz persönliches spezielles Interesse. Ich hatte damals nicht darüber nachgedacht, ob ich in diesem oder jenem Genre starten möchte. Wirtschaftliche Interessen spielten (wie bei vielen kleinen Verlagen) in der Startphase überhaupt keine Rolle. Es war das ureigene Interesse an einer gewissen Literatur, das mich antrieb.

Nach welchen Gesichtspunkten suchen Sie die Manuskripte aus, die Sie veröffentlichen; sind das alles personal favorits, oder gehen Sie da auch merkantil vor - was sich verkauft hat einen Vorsprung beim Einkauf?

Jeder Manuskript-Einkauf ist ein wenig wie Kreuzchen beim Lotto zu machen. Man weiß nie, ob man etwas gewinnt. Egal welcher Titel, noch heute zittern wir bei jeder Neuerscheinung, ob und wie sie beim Leser ankommt. Man hat ein gewisses Gefühl (den berühmten Riecher) aber niemals Gewissheit. Ja, wir entscheiden hier oft nach personal favorits, das „gönnen“ wir uns einfach. Und auch richtig ist, dass der marktstrategische Anteil allmählich zunimmt, denn der Verlag ist schon längst kein reines Hobby mehr und trägt eine große Verantwortung gegenüber allen Beteiligten.

Dann kam der vorher schon angesprochene Schritt hin zum Vollzeit-Verleger - und eine massive Ausweitung und auch inhaltliche Änderung des Programms. Statt deutscher Verfasser dominieren Übersetzungen, Endzeit- und Horror-Romane gibt es nach wie vor, doch es kamen Thriller, Mystery, historische Phantasien, Fantasy und Kriminalromane hinzu.Zunächst die provokante Frage: Gibt es bei uns keine Autoren, die so etwas schreiben können, warum die Hinwendung zu angloamerikanischen Verfassern?

Es ist kein Geheimnis, dass es so viel schwieriger ist, einen deutschen Autor bekannt zu machen und in den Literaturmarkt zu führen als einen angloamerikanischen. Dies mag aber an einer sich im Laufe der Zeit entwickelten Leser-Erwartung liegen. Höhepunkt dieser Entwicklung sind Verlage, die sich weigern, überhaupt noch deutschsprachige Autoren zu führen - und damit sogar werben. Wir haben sehr erfolgreiche deutschsprachige Autoren im Programm, wenn ich nur an Emma Bieling und - selbstverständlich - an Andreas Gruber denke. Und wir werden auch zukünftig Publikationen deutschsprachiger Autoren herausgeben. Das viele Mimimi, dieses Abwägen, ja Abzählen deutschsprachiger Autoren gegen andere in Verlagsprogrammen kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Bei Manuskript-Prüfung interessieren uns Inhalt und Qualität dieses Inhalts, nicht die Herkunft des Verfassers.

Nun tummeln sich mit Luzifer, Voodoo und Festa gleich drei Verlage in dem Markt, die alle schwerpunktmäßig Weird Fiction präsentieren. Ist diese Konkurrenz nicht desaströs?

Mit dieser Frage kann ich tatsächlich nichts anfangen. Zum einen ist die Weird Fiction nicht unser Schwerpunkt, zum anderen gibt es da draußen so viel gute Literatur zum Thema, dass sich sicherlich noch zehn weitere Verlage erfolgreich auf diesem Spielfeld tummeln könnten. Der Leser entscheidet, welcher Titel ihn anspricht, der Verlag dahinter ist doch in der Regel erst mal zweitrangig.

Kennt man sich untereinander, schätzt man sich?

Man kennt sich ein wenig. Doch viel lieber würde ich einen Herausgeber von Heyne, Rowohlt oder Piper kennen wollen, denn dann könnte ich als „Frischling“ noch eine Menge lernen. Solche Kontakte wären fantastisch.

Welches Buch hätten sie gerne publiziert, das dann bei einem anderen Verlag kam?

Kings gesammelte Werke mit dem Luzifer-Logo auf dem Buchrücken würden sich sicherlich hübsch im Regal machen…

Die Frage nach dem Grund für die Ausweitung des Programms darf nicht fehlen. „Schuster, bleib bei deinen Leisten heißt es so schön“ - und doch haben Sie das Programm inhaltlich fortentwickelt, sind in andere Genres vorgestoßen - warum?

Wir haben schon eine sehr feste Genre-Struktur, der wir auch treu bleiben. Sicherlich testen wir Titel in dem einen oder anderen Unter-Genre, gerade der Bereich der Thriller lässt da viel Spielraum.

Sie sind neben dem Printbereich auch, ja fast könnte man annehmen schwerpunktmäßig im eBook-Segment präsent. Lohnt sich das für einen Verleger, wenn er da die Bücher, die ihn ja Lizenzen, Übersetzung etc gekostet haben, für wenig Geld offeriert?

Unsere Publikationen erscheinen von Anfang an in beiden Formaten. Das eBook-Format wurde sicherlich bisher präsenter wahrgenommen, da es leichter fällt, in diesem Bereich erfolgreiches Marketing zu betreiben. Der Printmarkt ist… sagen wir… behäbig. Aber in 2017 hat sich das Rad für Luzifer gewaltig gedreht und das gedruckte Buch hat kräftig zugelegt, was uns sehr freut.

Sie produzieren ihre Print-Titel als qualitativ hochwertige Paperbacks in englischer Broschur - warum wählten sie diese teureren Produktionsdetails, wäre nicht das billigere Taschenbuch ohne Klappenbroschur und damit verbunden ein geringerer Preis nicht vorzuziehen?

Warum? Billiges Taschenbuch kann jeder ;)
Spaß beiseite… unsere Titel sind in den seltensten Fällen massenmarkttauglich. Weshalb sollten wir dann versuchen, genau das zu machen, was alle Großverlage viel erfolgreicher tun? Ich denke, wer Interesse an unseren Büchern hat, soll auch an der Haptik Freude haben. Auch die großen Verlage zielen in letzter Zeit deutlich mehr auf Qualität ab und die Klappenbroschur verdrängt allmählich das Taschenbuch aus den Regalen.

Das erste Hardcover, das der Luzifer Verlag vorlegte, war meines Wissen Ronald Malfis Coming-of-Age-Roman „December Park“. Warum haben Sie ausgerechnet dieses Manuskript ausgewählt und mit einer Hardcover-Ausgabe geedelt?

Ganz einfach, als ich das Manuskript gelesen hatte, wollte ich dem Inhalt auch in der „Verpackung“ gerecht werden. Das war ein Impuls. Außerdem suchten wir bereits längere Zeit nach einem geeigneten Titel, um dieses Buchformat „für uns“ zu testen.

Letztes Jahr haben Sie dann mit Robert McCammon einen der ganz großen Namen für ihren Verlag an Land gezogen. Nachdem die Knaur-Horror-Reihe eingestellt wurde, war es ja lange Zeit still geworden um den Autor. Wie kam es, dass er nachdem ein Konkurrent ja schon zwei seiner Horror-Titel für die deutschsprachigen Fans auflegte, doch noch bei Luzifer eine neue verlegerische Heimat fand?

Die Corbett-Reihe hatte ich bereits 2012 „auf dem Schirm“, war damals aber noch viel zu feige für solch ein Projekt. 2016 schließlich fühlten wir uns im Verlag „gewappnet“, um diesem großartigen Autoren und dieser außergewöhnlichen Reihe gerecht werden zu können. Und da niemand sonst Interesse an der Reihe zeigte, wagten wir es und hoffen nun sehr, dass Robert McCammon endlich in Deutschland das Maß an Aufmerksamkeit bekommt, das ihm gebührt. Wir sind stolz, unseren eigenen kleinen Beitrag dafür leisten zu dürfen.

Nun haben Sie den Corbett-Titeln gar noch die Weihen des gebundenen Buches zukommen lassen - warum und rechnet sich das für den Verlag?

Auch hier kann ich nur betonen, in der Gesamterscheinung des Werkes dem Inhalt gerecht werden zu wollen. Ob es sich rechnet… nun, das erfahren wir später.

Der erste Roman wurde der Länge wegen in zwei Bücher geteilt - war das für Sie eine schwierige Entscheidung insbesondere, weil Sie ja nicht wussten, wie das Publikum die Reihe annehmen würde?

Ja, dies war in der Tat eine sehr schwierige Entscheidung, die uns aber letztendlich erst in die Lage versetzte, dieses Projekt umsetzen zu können. Und mit einer solchen Entscheidung stehen wir ja in der Verlagswelt nicht allein. Viele umfangreiche Projekte wurden auf diese Art umgesetzt.

Wie geht es hier weiter? Sprich, wann kommt der zweite Band, wird dieser wieder geteilt?

Der zweite Band ist (in zwei Teilbänden) bereits fest für 2018 projektiert und überall vorbestellbar gelistet.

Was haben Sie sonst an Schmankerl für ihre Leser für die nächste Zeit in petto?

Oh, wo soll ich da anfangen. Es ist natürlich alles eine Frage des persönlichen Geschmacks. Wir bedienen in 2018 all unsere Genre und hoffen selbstverständlich wieder, den Nerv unserer Leser zu treffen und viele spannende Lesestunden zu bereiten. Am besten schaut man einfach mal in die Neuveröffentlichungsliste 2018 in unserem Blog auf der Homepage. Es wird neue Titel von Andreas Gruber, Robert McCammon, Tim Lebbon, Danny King, Tim Curran, Russell Blake, Daphne Niko. Robert Blake Whitehill und und und geben…

Welches Buch, welche Bücher würden Sie einem Leser, der bislang noch kein Luzifer-Buch goutiert hat, besonders ans Herz legen?

Da müsste ich erst die Gegenfrage des bevorzugten Genres stellen. Aber sicher wären Robert McCammon, Ronald Malfi, Daphne Niko oder Danny King eine recht gute Wahl für den Anfang.

Wie wird die Verlagslandschaft in zehn Jahren wohl aussehen - wagen Sie eine Prognose?

Wie könnte ich, da wir nicht einmal absehen können, wie sich 2018 entwickeln wird ;)

Haben Sie recht herzlichen Dank, dass Sie uns Rede und Antwort gestanden sind. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.

Ich bedanke mich sehr für das Interview und wünsche allen Lesern eine tolle und aufregende Zeit in fremden Welten zwischen zwei Buchdeckeln.