Serena Burdick: Die Mädchen ohne Namen (Buch)

Serena Burdick
Die Mädchen ohne Namen
(The Girls with no Names, 2020)
Übersetzung: Helga Köller
Titelbild: Kiryl Lysenka
Festa, 2024, Hardcover, 490 Seiten, 24,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Die Geschwister Luella und Effie wohnen im New York des Jahres 1910, nicht weit vom House of Mercy entfernt, in einem noblen Anwesen. Als Luella einem dunklen Geheimnis ihres Vaters auf die Spur kommt, verschwindet die Ältere der sonst unzertrennlichen Schwestern plötzlich spurlos.

Effie glaubt, dass ihr Vater sie ins Heim gesteckt hat - immerhin hat er dieses ja oft genug angedroht! Das will, das kann sie nicht akzeptieren. Also beschließt sie, ihre Schwester zu retten. Sie schleicht sich im House of Mercy ein – allen, sie findet weder ihre Schwester noch glaubt ihr irgendjemand ihre Geschichte. Spricht, einmal im Arbeitshaus für gefallene Mädchen drin, will man sie nicht mehr gehen lassen. Die schlimmen Zustände im House wird sie nicht lange aushalten können - sie muss die Flucht wagen. Nur, allein wird sie diese niemals bewältigen… und wem nur kann sie vertrauen, ihr zu helfen?

Doch da gibt es ja noch ein Mädchen, das „merkwürdig“, ja gefürchtet ist; Mable könnte vielleicht ihr Ticket in die Freiheit sein - so diese denn will…

 

Serena Burdick hat lange und intensiv für das vorliegende Buch recherchiert. Das Vorhandensein zumeist unter kirchlicher Leitung stehender Arbeitshäuser in den Vereinigten Staaten zu Beginn des 20 Jahrhunderts, mag heute kaum mehr jemand zugeben. Frauen, Mädchen, Kinder wurden dort gefangengehalten, misshandelt, ausgebeutet und missbraucht.

Das sind erschreckende Bilder, die sich hier vor meinem inneren Auge während der Lektüre abzeichneten. Heute theoretisch undenkbar - ich möchte allerdings nicht wissen, wie es in totalitären Staaten oder in den Dritte-Welt-Ländern zugeht -, erschreckt die gnadenlose Ausbeutung, der physische wie psychische Missbrauch. Dies hat die Autorin sehr intensiv, gleichzeitig unauffällig in ihren Plot integriert.

Stilistisch teilweise wunderbar unauffällig, aber einfühlsam beschreibt sie die Gefühlslage der Erzählerin. Das bietet kein übernatürliches Grauen, oh nein, die alltägliche Ausbeutung, der mitleidlose Missbrauch sind oft wesentlich intensiver als jede übernatürliche Heimsuchung es sein könnte - eben, weil es real war.

So ist dies ein sehr wichtiges Buch über die Unterdrückung und Ausbeutung von Mädchen und Frauen, das betroffen macht und den Leser innerlich berührt.