Chris Schlicht: Maschinenseele (Buch)

Chris Schlicht
Maschinenseele
Titelillustration von Oliver Graute
Feder&Schwert, 2014, Taschenbuch, 544 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-86762-204-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Wiesbaden im Jahr 1900. Einmal mehr bereitet sich die hessische Kurstadt auf hohen Besuch vor. All überall richten die Gärtner die Kurparks und Anlagen, hat doch niemand Geringeres als der Kaiser sein erneutes Kommen in Sachen Gesundheit angekündigt. Zwei Sachen kann die mondäne Metropole dabei nicht gebrauchen: einen Aufstand der verarmten Arbeiterklasse aus den Elendsvierteln, und eine Serie von Ritualmorden in den besseren Vierteln der Stadt, in der die Honoratioren und Begüterten leben.

Peter Langendorf vermisst ein wenig die Zeit, als er als selbständiger Detektiv im Stadtmoloch Frankfurt-Wiesbaden Aufträge noch ablehnen konnte. Jetzt sitzt ihm, als verbeamteter Polizist, angesichts der Mordserie die hohe Politik im Genick, die nach schnellen, oft vorschnellen Lösungen ruft. Doch ganz so einfach sind die Gewalttaten nicht aufzuklären, weisen doch alle Indizien darauf hin, dass der Täter aus eben jenen besseren Kreisen der Stadt kommt, in denen jeglicher Skandal vermieden werden muss.

Weitere Hinweise deuten darauf hin, dass ein mystisches Ritual vollzogen werden soll, mit dessen Hilfe unheimliche Kräfte geweckt werden sollen. Dass einmal mehr ein alter Bekannter Langendorfs, ein skrupelloser Erfinder, mit seinen Wesen in die Angelegenheit verwickelt ist, sorgt für weitere Zuspitzung. So scheint sich alles gegen den Oberkommissar verschworen zu haben…

Zum zweiten Mal öffnet Chris Schlicht ihr ganz eigenes Schatzkästchen aus Steampunk, Gesellschaftskritik und Kriminalroman. Schon mit ihrem ersten Band um Peter Langendorf konnte sie mich mit dem Plot und dessen handwerklicher Ausführung überzeugen, vorliegend hat die Autorin fast mühelos noch einen draufgesetzt. Dabei konzentriert sie sich zunächst ganz auf die mysteriösen Morde. Es geht um die Aufklärung der Hintergründe der Mordserie, darum, Motiv und Verdächtige zu suchen und zu finden. Hier legt Schlicht geschickt Spuren aus, stellt uns Figuren und Schauplätze vor. Dass sie dabei die soziale Schere, die zwischen Arm und Reich klafft, nicht vergisst, zeigt sich immer wieder. Auffällig hierbei, dass die Beschreibungen der teilweise extremen Armut und Perspektivlosigkeit nie aufgesetzt wirken, sondern immer integrierter Bestandteil der Handlung sind.

Gespannt folgte ich als Leser den Ermittlungen, ließ mich ein auf die phantastischen Ideen, Gestalten und Figuren, die im Verlauf des Plots ins Rampenlicht treten. Stilistisch angenehm, inhaltlich fesselnd und intelligent weiß Chris Schlicht erneut packend zu unterhalten, lässt dabei eine auch in Details faszinierende Metropole auferstehen und präsentiert ein perfides Verbrechen – Herz, was willst du mehr?