Die Dynastie der Drachen 1: Der Zorn des Ying Long (Comic)

Die Dynastie der Drachen 1
Der Zorn des Ying Long
(Le dynastie des dragons: La colere de Ying Long)
Text: Hélène Herbeau
Zeichnungen & Farben: Emmanuel Civiello
Übersetzung: Tanaj Krämling
Splitter, 2012, Hardcover, 72 Seiten, 15,80 EUR, ISBN 978-3-86869-413-0

Von Frank Drehmel

Wir schreiben das Jahr 1043: Das „Reiche der Mitte“ – China – ist geteilt; während im östlichen Teil der Herrscher der Song, Renzong, von seinem Palast in der Hauptstadt der Sonne, Dongjing, aus sein Reich verwaltet, herrschen westlich der Großen Mauer die Tanguten unter Li Yuanhao, der die Dynastie der Xia aus der Taufe zu heben versucht.

In Anerkenntnis der militärischen Überlegenheit der Tanguten haben sich die Song zu Tributzahlungen verpflichtet, die das eigene Land jedes Jahr an den Rand einer Hungersnot bringen. Verstärkt wird das ökonomische Ausbluten des Reiches durch entfesselte Naturgewalten, deren Hintergrund ein mystischer ist: Kaiser Rezong hat gegen die universelle Ordnung verstoßen, indem er einem der Götterdrachen einen heiligen Vogel, einen Phönix, stahl, damit ihm dieser das Geheimnis der Unsterblichkeit offenbare; da er nicht bereit ist, das mythische Tier zurückzugeben, ist Rezongs einzige Möglichkeit, den Drachen zu besänftigen, die Opferung seines eigenen kleinen Sohnes, Zhao Zhen. So sendet er das Kind in Begleitung eines Emissärs und eines Trosses aus Kriegern zum Hort des Drachen. Unterwegs wird die Karawane jedoch von Tanguten überfallen, sämtliche Erwachsenen niedergemetzelt, während der kleine Junge von der Bildfläche verschwindet. Doch das bleibt nicht der einzige Schicksalsschlag für den Kaiser, denn der um sein Opfer gebrachte Drache entfesselt vollends die Natur und richtet unermessliche Zerstörungen an.

Elf Jahre später: die Konkubinen des Kaisers haben noch keinen lebenden männlichen Thronerben gebären können. Vorgeblich, um dem siechenden Herrscher die tiefe Enttäuschung einer weiteren Fehlgeburt zu ersparen, entschließen sich mächtige Kaufleute und Hofschranzen, die junge, wunderschöne Luan nicht dem Kaiser zwecks Beischlafes zuzuführen, da das seiner Gesundheit schaden könne, sondern sie gegen ihren Willen mit dem Xia-Botschafter Zhao Bao Ji zu vermählen. Widerstandslos willigt die junge Frau ein und findet sich mit einer Zukunft im Wohnsitz des Botschafters auf dem Gebiet der Song und in einer barbarischen Kultur ab, die ihr vollkommen fremd ist, nicht ahnend, dass ein geheimnisvoller junger Krieger aus der Gefolgschaft Zhao Bao Jis ein Auge auf sie geworfen hat.

Weitere Jahre ziehen ins Land, Luan gebiert einen Jungen, mit dem zusammen sie mangels anderer Beschäftigungsmöglichkeiten die Kampfkunstausbildung beim alten Meister Lun Wang beginnt. Doch die vergleichsweise friedvolle Zeit ist bald vorbei, als die junge Frau von einem Fluch eingeholt wird und der damals um seinen Phönix betrogene Drache Ying Long vom Kaiser seinen Tribut fordert.

Für Sinologen mag die vage auf historischen Begebenheiten beruhende phantastische Story interessant sein, den Otto-Normal-Leser jedoch beginnt dieser Comic-Ausflug in die chinesische Vergangenheit schnell zu langweilen und das nicht nur, weil die zahlreiche chinesische Begriffe und Namen immer wieder den Blick auf die zahlreichen Fußnoten erforderlich machen – nennt mich altmodisch, aber eine Geschichte muss in meinen Augen auch funktionieren, ohne dass ich gezwungen bin, mich mit lexikalischem Fast-Food-Wissen vollzudröhnen, welches ungefähr die Halbwertzeit eines Hamburgers hat.

Das Hauptproblem der Story ist zum einen die große Anzahl der Figuren, deren markantestes Unterscheidungsmerkmal die Form ihrer Bärte oder die Nuancierung ihrer Kleidung ist, zum anderen ist es die Vorhersehbarkeit und Klischeehaftigkeit der nicht ganz kitschfreien Handlung, die nur dann ein wenig Spannung generiert, wenn das Übernatürliche in Form der Drachen die Bühne betritt.

Unterm Strich gelungen ist demgegenüber das malerische Artwork Civiellos. Zwar schwanken die Bilder zum Teil signifikant, was die Accuratesse der Ausarbeitung betrifft, doch sowohl in der stimmungsvollen Koloration, als auch dem Reichtum an authentisch wirkenden Details sowie der Dynamik der Pinselführung gibt es wenig zu beklagen. Das Einzige, was eventuell zu bekritteln wäre – allerdings ist das ein Jammern auf hohem Niveau –, ist ein Schwächeln in der farblichen Darstellung unterschiedlicher Texturen und Materialien; das heißt, Seide schimmert nicht wie Seide, Metall nicht wie Metall. Wie es besser und anders geht, kann man sich beispielsweise in Saverio Tanutas „Die Legende der scharlachroten Wolken“ (dt. ebenfalls bei Splitter) anschauen.

Fazit: Storyseitig eher lauer, vorhersehbarer und spannungsarmer Sinologen-Kitsch, künstlerisch durchaus exotisch und von atmosphärischem Reiz. Allerdings wird das nicht reichen, den Leser auf Dauer bei der Stange zu halten.