Star Trek: McCoy (Comic)

John Byrne
Star Trek: McCoy
(Star Trek: Leonard McCoy – Frontier Doctor, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Christian Langenhagen
Titelillustration und Zeichnungen von John Byrne
Cross Cult, 2011, Album, 112 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-942649-33-9

Von Frank Drehmel

Nachdem man sich in Deutschland bislang mit lokalisierten „Star Trek“-Comics im Zuge des Kino-Relaunches des Jahres 2009 zufrieden geben musste, die künstlerisch überwiegend und bedauerlicherweise von David Messina betreut wurden (während für den textlichen Teil unterschiedliche Autoren verantwortlich zeichneten), hält für „Star Trek: McCoy“ nun einer der Granden des amerikanischen Comics, John Byrne, sowohl künstlerisch als auch erzählerisch den Kopf hin.

Obgleich Byrne wegen seines Egos und seiner Art zu arbeiten – freundlich ausgedrückt – in der Szene nicht gänzlich unumstritten ist, so kann man ihm eines ganz sicher nicht vorwerfen: einen Mangel an erzählerischem und zeichnerischem Talent. Insofern war im Vorfeld die Hoffnung nicht ganz unberechtigt, dass „Star Trek: McCoy“ die szenisch und zeichnerischen düsteren, visuell statischen und leblosen Auswüchse der Messina-Ägide vergessen macht. Und in der Tat: der alte Mann bringt es noch voll!

Der Schiffsarzt der „USS Enterprise NCC 1701“, Leonard „Pille“ McCoy, hat sich mangels heimatlicher Herausforderungen dem Medizinischen Grenz-Programm der Föderation verschrieben, während sein alter Captain, James T. Kirk, auf der Erde die Eier schaukelt und das Ende der Generalüberholung ihres alten Kahns abwartet. Und so schippert nun Dr. McCoy in Begleitung des Arztes Jon Mikael Duncan von einem entfernten Planeten zum nächsten, während er Kirk der Unterhaltung halber kurze Berichte seiner Abenteuer zukommen lässt.

Die ersten Wochen verlaufen ohne größere Zwischenfälle; dann jedoch machen die beiden Ärzte in einer andorianischen Kolonie Station und finden nach ihrer Abreise eine blinde Passagierin an Bord: Theela aus dem Hause Trelahn; eine verzogene junge Andorianerin, deren Auftreten zwar großspurig und aggressiv ist, die aber schon bei ersten größeren Fall in der menschlichen Kolonie auf Ophiucus III ihr medizinisches Talent unter Beweis stellt. Die Bewohner der Kolonie sterben innerhalb kurzer Zeit an einem unbekannten Pilz, ohne dass herkömmliche Medikamente wirken. Und schon bald sind auch Duncan und McCoy von der Seuche befallen.

Der nächste Fall führt das Trio auf eine Wasserwelt – Gamma Tarses VII –, auf der nur sechs kleine Inseln mit der Gesamtfläche Manhattans besiedelbar sind und daher die Architektur und Transportertechnik kuriose und phantastische Blüten getrieben hat. Hier liegen Tarsianer und Menschen auf der Krankenstation, die den Untersuchungen nach kerngesund sind und die dennoch sterben.

In weiteren Abenteuern schlagen sich die Mediziner mit Klingonen und Klonen rum, begegnen intelligenten Parasiten und sogar ein Wiedersehen McCoys mit seiner Nichte und Mr. Scott steht auf dem Reiseplan.

John Byrnes „McCoy“ ist ganz der Vergangenheit geschuldet, spielen die Abenteuer doch zwischen dem Aus der ersten TV-Show (1969) und der Reaktivierung der Crew im ersten Kino-Film (1979) und haben somit nichts mit dem Abrams „Star Trek“-Relaunch zu tun. Dementsprechend leicht – im positiven Sinne – wirken die Geschichten, da ihnen gerade auch in erzählerischer Hinsicht die typisch moderne Grim’n’gritty-Attidüde der neueren Comics fehlt, in denen die Helden an sich selbst und der Welt leiden, in denen düstere Ereignisse die Existenz ganzer Galaxien bedrohen. Byrnes Geschichten sind stattdessen kleine, feine und freundliche Abenteuer, die nicht nur das Episodenhafte des Ursprungs widerspiegeln und nur sehr lose durch eine Rahmenhandlung verbunden sind, sondern die auch die ursprüngliche humanistische und pazifistisch angehauchte „Star Trek“-Philosophie Roddenberrys atmen.

Die grafische und visuelle Umsetzung überzeugt vollends, obgleich sie angesichts des Fehlens verspielter digitaler Poser & Blender-Effekte in ihrer Klarheit und der typisch byrne’schen Reduktion der Hintergründe fast schon anachronistisch wirkt. Insbesondere die knorrige, stets griesgrämig wirkenden Physiognomie McCoys, in der Byrne mit wenigen Strichen den Charakter des Arztes an sich einfängt, gewinnt der Leser schon nach kürzester Zeit regelrecht lieb.

In redaktioneller Hinsicht runden ein Essay Christian Endres über das Leben und Werk John Byrnes sowie ein von Katrin Aust zusammengestellter Überblick über inhaltliche Verknüpfungen von Comic und TV-Show das durch und durch positive Gesamtbild des Tradepaperbacks ab.

Fazit: Insbesondere für Old-School-„Star Trek“-Fans, denen die Düsternis und Hölzernheit der neueren messina’schen Comics auf die Testikel geht, eine brandheiße Empfehlung. Lebendige Zeichnungen und „Star Trek“-würdige Geschichten im lockeren Retro-Look.