Sherlock Holmes & das Necronomicon (Comic)

Sherlock Holmes & das Necronomicon
(Le Protocole Pélican)
Text: Sylvain Cordurié
Cover: Jean-Sébastien Rossbach
Zeichnungen: Vladimir Krstic-Laci
Übersetzung: Swantje Baumgart, Tanja Krämling
Splitter, 2014, Hardcover, 112 Seiten, 22,80 EUR, ISBN 978-3-86869-107-8

Von Frank Drehmel

Wir schreiben das Jahr 1892, London: Holmes kehrt aufgrund eines unbestimmten Gefühls, eines vagen Rufs, von einer mehrmonatigen Seereise zurück, die er nach dem vermeintlichen Tod Professor Moriartys bei den Reichenbachfällen angetreten hatte. Kaum in der Stadt angekommen beginnt der Detektiv ins Blaue hinein mit Ermittlungen und findet heraus, dass viele seiner Informanten verschwunden sind. Mutmaßlich ermordet!

Kurz darauf kontaktiert ihn eine geheimnisvolle Frau namens Kathleen, deren Bruder, Norton, zu diesen Informanten gehört hat – und die nun Rache für seinen Tod will. Dass Kathleen mehr und jemand anderes ist, als sie zu sein scheint, findet Holmes schnell heraus, als er von Professor Moriarty, der im wahrsten Sinne des Wortes von den Toten zurückgekehrt ist, entführt wird. Als ein magisches Ritual, mit dem der Untote seine Seele in Sherlocks Körper transferieren will, scheitert, ist es Kathleen, die kurz darauf mit der Polizei auftaucht um den Detektiv zu retten.

Doch der Kampf um Holmes’ Seele hat erst begonnen! Der Detektiv und seine Verbündete finden sich in einem perfiden Spiel wieder, in dem Moriarty nicht vor grausamen Morden zurückschreckt, obschon auch er nur die Marionette eines anderen ist; ein Spiel, in dem das schreckliche Buch „Necronomicon“ eine zentrale Rolle spielt und in das sogar die Queen von England und ihr Sonderermittler involviert sind; ein Spiel, das das Schicksal der ganzen Welt ändern könnte. Doch glücklicherweise verfügt Kathleen über Kräfte, die sich von Holmes Intellekt kaum erfassen lassen.

Kann es gut gehen, wenn sich ein moderner Autor zwei quasi ikonische literarische „Entwürfe“ – Sir Arthur Conan Doyles brillante Detektiv-Figur Sherlock Holmes auf der einen und H.P . Lovecrafts „Necronomicon“, das fiktive, vom verrückten Araber Abdul Alhazred verfasste Buch, auf der anderen Seite – zu Eigen macht, um sie in einer einzigen Geschichte irgendwie und koste es, was es wolle, zusammenzubringen? Möglicherweise kann es gut gehen! Oder aber es geht – wie im vorliegenden Comic – gehörig in die Hose!

Corduriés krude, vorhersehbare Geschichte wird weder dem ikonischen Detektiv gerecht, dessen geniale Deduktionsfähighkeiten für die Story fast bedeutungslos sind, der das Heft des Handelns kaum in den eigenen Händen hält, sondern zum Getrieben, zum Opfer wird, das nur durch den steten Einsatz von Hokuspokus gerettet werden kann. Seinem kongenialen Gegenspieler Moriarty ergeht es dabei nicht besser: statt listenreichem Verbrechergenie präsentiert der Autor eine Art Okkult-Terroristen und inszeniert diesen ebenfalls in einer Opferrolle. Noch erzeugt Cordurié auch nur einen Hauch von jenem cthuloiden Horror, der so eng mit dem „Necronomicon“-Mythos verbunden ist, sondern macht aus dem Buch ein billige Gebrauchsanweisung für Seelentauscher und Dimensionsportalöffner.

Eine einzige Person in diesem plakativen, uninspirierten Figurenreigen weckt mehr als nur ein müdes Gähnen: der High Lord, der abgrundtief düstere Ermittler seiner Majestät, der allerdings zu wenige Auftritte hat, um die Geschichte zu retten.

Im Gegensatz zur Story ist das Artwork Lacis zumindest in seiner historischen Authentizität in der Abbildung eines in sich stimmigen viktorianischen Ambientes durchweg überzeugend, auch wenn die Figuren streckenweise visuell etwas steif wirken, was anderseits im historischen Kontext passt.

Fazit: Die lahme, vorhersehbare Story, welche weder Sherlock Holmes, noch dem „Necronomicon“-Mythos gerecht wird, wird durch das gelungene, historisch-stimmige Artwork leider nicht aufgefangen.