World of Warcraft: Kriegsverbrechen, Christie Golden (Buch)

World of Warcraft: Kriegsverbrechen
Christie Golden
(World of Warcraft: War Crimes)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Tobias Toneguzzo & Andreas Kasprzak
Titelillustration von Glenn Rane
Panini, 2014, Hardcover, 380 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-8332-2888-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Er war der Schlächter seiner Zeit. Selbst seine Verbündeten verachteten ihn als ehrlos, fürchteten seine Brutalität und seine Hinterlist. Die Rede ist von Garrosh Höllschrei, dem Orc, der die Auslöschung des Stadtstaates Theramore zu verantworten hat, den Tod von Hunderten Generäle und Admiräle der Allianz, die in einem einzigen Augenblick von einer Mana-Bombe dahingerafft wurden. Selbst vor dem Tal der ewigen Blüten hat er in seinem maßlosen Wüten nicht Halt gemacht.

Nun steht Garroshs Gerichtsverhandlung an. Sowohl die Vertreter der Allianz, wie die der Horde wurden von den Himmlischen zum Tempel des weißen Tigers bestellt, um zu Gericht zu sitzen.

Während der Verhandlung werden die Geschehnisse neu beleuchtet, die Beteiligten müssen sich dabei nicht nur ihren Taten sondern auch sich selbst, ihrer Motivation und ihrem Ehrgeiz stellen. Dass dies nicht einfach ist, beweisen Ankläger wie Verteidiger, die zu Beginn der Verfahrens beide nichts sehnlicher herbei wünschen, wie den Tod des Angeklagten – denn sie müssen erkennen, dass Schuld nicht einfach nur Schuld ist, dass Sühne im Tod kaum gefunden werden kann und sich ein Täter auch zu ändern vermag, wenn er seine Taten denn bereut…

Kann das funktionieren, einen Fantasy-Roman mit einem Gerichts-Drama zu verbinden? Christie Golden hat das Kunststück gewagt und, um dies vorwegzunehmen (auch wenn das Ergebnis etwas gewöhnungsbedürftig ist), sie hat einen packenden Roman vorgelegt.

Erfahrene Leser kennen die Welt und die Ereignisse bereits, doch die Verhandlung beleuchtet Geschehnisse der Vergangenheit aus einem anderen, einem frischen Winkel und sorgt so für neue Einsichten und vertieft die Zeichnung bekannter Figuren weiter.

Als geschickten Schachzug erweist sich, dass die Autorin in Visionen der Vergangenheit diese selbst wieder plastisch und lebendig werden lässt. So taucht der Leser in die Schlachten ein, ist hautnah in den Entscheidungsszenen dabei.

Neben der Verhandlung, die sich ganz an den Vorgaben der US-Justiz orientiert (Stichwort, „Ihr Zeuge“), beleuchtet die Autorin in einem zweiten Handlungsstrang die Bemühungen, den gefangen gehaltenen Schlächter gewaltsam aus seiner Haft zu befreien. Wer aber steckt hinter dem Befreiungsversuch, wie soll dieser durchgeführt werden und kann er überhaupt gelingen? Fragen, auf die die Autorin einige überraschende Antworten für den Leser bereithält.

Insgesamt liest sich der Roman überraschend packend und flüssig, zeigt uns die Figuren aus ungewöhnlichen Perspektiven und macht uns die Motivation aller, selbst des Angeklagten selbst, nachvollziehbar.