Neil Gaiman: Zerbrechliche Dinge (Buch)

Neil Gaiman
Zerbrechliche Dinge
(Fragile Things, 2006)
Deutsche Übersetzung von Hannes und Sara Riffel und von Karsten Singelmann
(für die Geschichte „Der Herr des Tals“)
Klett-Cotta, 2010, Hardcover, 330 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 978-3-608-93876-0

Von Irene Salzmann

In „Zerbrechliche Dinge“ findet man mehrere phantastische Kurzgeschichten des britischen Autors Neil Gaiman. Vor dem Kauf sollte man der Anmerkung „neu zusammengestellt“ Beachtung schenken, denn gegenüber der amerikanischen Original-Ausgabe wurden die hier veröffentlichten Storys nicht nur gekürzt – von den 32 Erzählungen und Gedichten druckte man lediglich 14 Geschichten ab und verzichtete überdies auf die Kommentare Gaimans. Von daher werden Puristen vielleicht „Fragile Things“ den Vorzug geben wollen.

In „Verbotene Bräute gesichtsloser Sklaven im geheimen Haus der Nacht grausiger Gelüste“ stellt der Autor die bestehende Ordnung auf den Kopf: Ein Schriftsteller bemüht sich, eine realistische Geschichte zu Papier zu bringen und tut sich sehr schwer damit. Nach langem Hin und Her erkennt er, dass ihm Fantasy-Storys weit mehr liegen, und so beginnt er ein völlig neues Werk über „Autos und Börsenmakler und Pendler, Hausfrauen und Polizei ...“

„Wie man auf Partys Mädchen anspricht“ ist eines der großen Probleme, denen sich der junge Enn stellen muss. Während sich sein Freund immer gleich das hübscheste Mädchen angelt, kommt Enn bei den verwirrend schönen und etwas merkwürdig anmutenden weiblichen Partygästen einfach nicht weiter. Aber vielleicht ist das ganz gut so...

Für den Klub der Epikuräer gilt: „Fressen und gefressen werden“. Nahezu alles, was essbar ist, haben die Mitglieder bereits probiert. Doch eine Köstlichkeit steht noch aus. Sie zu finden ist nicht einfach, sie zu essen und zu vertragen nahezu unmöglich...

Dies sind nur drei Beispiele für den Ideenreichtum Gaiman. Darüber hinaus findet man eine Hommage an H. P. Lovecraft und seinen Cthulhu-Mythos sowie an Sir Arthur Conan Doyle und sein Gespann Sherlock Holmes und Dr. Watson. Die Geschichte um die „American Gods“ erfährt ein weiteres Kapitel, und der Superheld Shadow hat einen Auftritt.

Wie immer entführt der Autor seine Leser in Grenzwelten entlang der dünnen Naht zwischen Alltag/Realität und Traum/Phantastik, spielt mit Urängsten und verdreht gängige Motive auf verblüffende Weise. Lässt man sich von Gaiman leiten, merkt man gar nicht, wann man von der einen in die andere Welt gelangt beziehungsweise ist nicht sofort klar, in welchem Bereich sich die Protagonisten bewegen. Die meisten Geschichten werden aus der Perspektive der jeweiligen Hauptfigur erzählt, die beobachtet und reflektiert, aber nicht immer eine Lösung parat hält oder ein Happy End erlebt. Der Leser wird aufgefordert, so manchen Faden selber zu Ende zu spinnen und zu spekulieren – wobei man die Kommentare Gaimans, die so manchen Schlüssel beinhalten, sehr vermisst.

Alles in allem bietet „Zerbrechliche Dinge“ eine Sammlung verschiedener Kurzgeschichten, die sich kein Gaiman-Fan entgehen lassen sollte, wenngleich eine Zusammenstellung, die der amerikanischen Original-Ausgabe entspricht, sicher noch mehr Freude bereitet hätte.