Stan Lee: So zeichnet man Superhelden (Buch)

Stan Lee
So zeichnet man Superhelden
(Stan Lee’s How to Draw Superheroes, 2013)
Aus dem Amerikanischen von Jon Dinter
Titelillustration von Ardian Syaf
Illustrationen im Innenteil von John Buscema, Steve Ditko, Jack Kirby, Alex Ross u.a.
Panini, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 224 Seiten, 24,99 EUR, ISBN 978-3-95798-248-3

Von Irene Salzmann

Nach „So zeichnet man Comics“ veröffentlicht Panini nun eine weitere Zeichenschule, die von Altmeister Stan Lee nebst Co-Autoren verfasst wurde: „So zeichnet man Superhelden“. Kennt man den ersten Band, ahnt man, was einen im zweiten erwartet, nämlich eine Fülle an Informationen, nützlichen Ratschlägen und Anekdoten, dazu sehr viele, überwiegend farbige Beispielbilder, welche die Texte veranschaulichen.

Um sich den beliebten Superhelden zu nähern, geht Stan Lee zunächst auf den klassischen Helden an sich ein, auf Personen, die schon seit frühesten Zeiten (Gilgamesch, Odysseus, Artus, Robin Hood…) die Menschen ihres Umfelds beeindruckten, indem sie über sich hinauswuchsen und etwas schafften, was keinem anderen geglückt ist. Mit Kraft und Verstand haben sie sich Bedrohungen (Urängste, reale Gefahren) gestellt und andere beschützt. Natürlich gibt es auch moderne Helden, beispielsweise Feuerwehrmänner, die ihr Leben riskieren, um Menschen aus brennenden Häusern zu retten, oder Katastrophenhelfer, die in Erdbeben- und Hochwassergebiete reisen, um die notleidende Bevölkerung zu versorgen und sie beim Wiederaufbau zu unterstützen.

Sie alle liefern reichlich Inspiration für die literarischen beziehungsweise die Superhelden, die gleichfalls durch ihren Einsatz und ihr Pflichtbewusstsein aus der Masse herausragen und dank besonderer Fähigkeiten oder Utensilien sogar Probleme lösen können, an denen der Normalbürger mit größter Wahrscheinlichkeit scheitern würde.

Die Geburtsstunde der Superhelden markiert das erste Erscheinen von Superman bei DC. Der Erfolg dieser Figur bewirkte die Entstehung vieler weiterer Heroen, darunter Batman, Phantom, Captain America, Spider-Man, Hulk und so weiter. Im Laufe der Jahrzehnte befassten sie sich mit all dem, wovor sich die Menschen gerade besonders fürchteten (der Zweite Weltkrieg, atomare Verseuchung, terroristische Anschläge etc.), und bemühten sich, den Lesern Mut zuzusprechen, meinungsbildend zu wirken, zumindest auf dem Papier die Welt ein wenig sicherer zu machen und spannend oder humorig zu unterhalten. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Nach diesem Exkurs ist der praktische Teil an der Reihe. Schritt für Schritt erklärt Stan Lee, wie man einen Superhelden konzipiert, ihn mit Freunden und Feinden umgibt, sein Einsatzgebiet und die Motivation festlegt – und was sonst noch von Bedeutung ist für eine funktionierende Story. Teilweise überschneiden sich die Informationen mit denen aus „So zeichnet man Comics“, doch liegt hier der Schwerpunkt tatsächlich auf der Entwicklung von Superhelden und -heldinnen, ihren menschlichen und tierischen Sidekicks, notwendigen Nebenfiguren, Schurken, Monstern, Robotern und dem Equipment.

Einmal mehr wird erklärt, wie aus geometrischen Gebilden (Kugel, Dreieck, Rechteck) ein menschlicher Körper skizziert und zur ausgeführten Zeichnung nebst Kolorierung gestaltet wird. Hinzu kommen Hinweise, wie sich Superhelden optisch von ihren ‚normalen‘ Freunden durch Größe und Muskelmasse unterscheiden, wie man die individuellen Eigenarten der verschiedenen Heroen durch Kleidung, Farben/Schatten und Körperhaltung hervorhebt und wie man sie mit passendem Equipment versieht.

Stan Lee legt zwei Haupt-Typen für Superhelden fest: Der eine ist der übermächtige, starke, praktisch unverwundbare Superman-Klon, der andere orientiert sich an Batman, der seinen Helden-Status durch intensives Training, eine umfassende Bildung und nützliche Gadgets erworben hat, wodurch er kompensiert, dass er eigentlich ein ‚normaler‘ Mensch ist. Ihre weiblichen Pendants funktionieren ähnlich nach den legendären Vorbildern Wonder Woman und Elektra. Es liegt in der Hand des Schöpfers, sie so aufzubauen, dass sie sich von ihren Kollegen im Detail unterscheiden und das Interesse des Lesers wecken.

Veranschaulicht werden die Erläuterungen sowohl durch Abbildungen namhafter Figuren, die nahezu jeder kennt – zu sehen sind unter anderem die Werke von Vinicius Andrande, John Romita Jr., Frank Miller, John Byrne, Jim Lee, J. Scott Campbell –, als auch durch eigens für dieses Buch entworfene Figuren. Die Auswahl unterstützt sinnvoll die Texte und erfreut das Auge, da die Zeichenschule gewissermaßen auch als Bildband zu sehen ist.

In der Summe ergänzt „So zeichnet man Superhelden“ den Vorgängerband „So zeichnet man Comics“. Anders als in den meisten Zeichenschulen wird hier jedoch weniger Wert auf trockene Theorie bis ins letzte Detail beim Zeichnen gelegt, sondern mehr auf das Allgemeine und das Gesamtbild geachtet, damit der Leser überhaupt erfasst, worum es eigentlich geht und was wirklich wichtig ist. Alles andere – Perspektive, Schattenwurf, Schraffuren und anderes mehr – wurde und wird in diversen Bänden schon ausführlich genug behandelt, doch das allein reicht nicht, um eine überzeugende Figur zu entwerfen und eine spannende Story um sie herum zu weben.

„So zeichnet man Superhelden“ ist aufgrund des persönlichen Erzähltons und der zahlreichen Anekdoten, welche die Informationen auflockern, eine kurzweilige Lektüre, aus der man so Manches erfahren und lernen kann. Darüber hinaus erreicht der Titel Bildbandqualität, wodurch er auch für Sammler von Artbooks reizvoll ist.