Kirsten Brox: Matamba (Buch)

Kirsten Brox
Matamba
Titelillustration von Oliver Graute
Feder&Schwert, 2015, Taschenbuch, 294 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-86762-227-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Der Nil galt und gilt nach wie vor als einer der größten Lebensspender unseres Planeten. Verständlich daher, dass das Britische Empire sich die Quelle des Wohlstand 1870 sichern will. Doch wo nur ist die Quelle zu finden? Vize-Premierministerin Eloise Sadstone hat offiziell schon so einige Expeditionen ins tiefste Afrika entsandt, die Quelle – aber auch insgeheim einen in der unmittelbaren räumlichen Nähe liegenden arkanen Tempel – zu suchen und die entsprechenden Koordinaten mitzuteilen. Erst dann kann sie die Truppen in Bewegung setzen, um das Land und dessen Schätze für ihre Majestät die Queen in Besitz zu nehmen. Bislang waren alle Versuche vergebens, nun soll ein Wettlauf endlich Erfolg bringen.

Zwei Expeditionen werden ausgesandt, wer als erster ein Foto mit den Koordinaten übermittelt, der wird nicht nur ein Held, seine Ausgaben werden ersetzt und eine Belohnung wird auch in Aussicht gestellt.

Mit einem üblen Trick, sein künstliches Bein wird von einer Agentin zerstört, wird der Kriegsveteran aus dem Sezessionskrieg und rasende Reporter Morton Stanley animiert, sich begleitend von seinem schottischen Freund Wesley McWithingham auf die Suche zu machen. An Bord ihrer Telikos – künstlichen Reisemittel – wollen sie in altbewährter imperialistischer Art und Weise die Mission mit bestem Whiskey, Sklaven für die beschwerliche Arbeit und jede Menge Snobismus meistern.

Als Zweiter geht der dunkelhäutige Cambridge-Psychologie-Professor Jack Lambert, nur mit einem Tablet, das ihm als Übersetzer dient; und jeder Menge Neugier, Einfühlungsvermögen und Sympathie für Land und Leute auf seine Mission.

So beginnt ein Wettlauf, der beiden Teilnehmern alles abverlangt – geht es doch um ihre Zukunft, ihre Lebenseinstellung und nicht zuletzt um die Ehre des Vaterlandes…

Kirsten Brox hat in ihrem Erstlingsroman Vieles richtig gemacht. Zunächst stellt sie uns ihre beiden Protagonisten im heimischen England vor. Dies sind zwei Männer, wie sie charakterlich unterschiedlicher kaum sein könnten. Hier der impertinente, arrogante Morton Stanley, für den Sklaverei ebenso selbstverständlich ist, wie die oft sinnlose Jagd auf alles Getier, das ihm vor die Flinte läuft, dort der feingeistige Lambert, der ein offenes Ohr für die Nöte seiner Mitmenschen hat, der sich auf Land und Leute voller Neugier und Offenheit einlässt. Wem hier die Herzen der Leser zufliegen ist klar, wobei auch Stanley als schillernde Figur zu faszinieren weiß.

Geschickt hat die Autorin wohldosiert ihre dampfbetriebenen Steampunk-Errungenschaften in den Plot eingebaut. Insbesondere die fliegenden, natürlich luxuriösen, Telikos wissen besonders an die Seiten zu bannen.

Nach dem verwicklungsreichen Start und der Vorstellung der beiden Konkurrenten geht es in den unerforschten schwarzen Kontinent. Obwohl Brox hier die Naturschönheiten eher zurückhaltend einsetzt, wissen die entsprechenden Darstellungen zu überzeugen. Unwillkürlich sieht man sich ins tiefste unerforschte Afrika versetzt, begegnet den Wundern der überbrodelnden Flora und Fauna und ist insbesondere durch die so gegensätzliche Reaktion der beiden Expeditionen geschockt. Hier der bewundernde Blick des neugierigen und aufgeschlossenen Professors, der sich in Land und Leute verliebt, dort der überhebliche Sklavenhalter; gegensätzlicher kann die Reaktion auf die Erlebnisse und Entdeckungen kaum ausfallen. Aus diesem Gegensatz, in Kombination mit den beschriebenen Naturwundern, zieht der Roman viel von seiner unbestrittenen Faszination.

Dazu mischen sich die technischen Wunderwerke des Dampfes mit den Naturbeschreibungen und den griffigen Figuren, die unseren Forschenden auf der Reise begegnen. Einzig das etwas überhastet wirkende Finale, das so manche Handlungsansätze und Fragen offen lässt, fällt ein wenig aus dem Rahmen. Vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung, die diese offenen Punkte aufgreift – zu wünschen wäre es.