Die Gefährten der Dämmerung 1: Im Zauber des Nebelwaldes (Comic)
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 05. August 2010 19:10
Die Gefährten der Dämmerung 1
Im Zauber des Nebelwaldes
(Les Compagnons du Crépuscule Tome 1: Sortilège du bois des Brumes)
Text & Artwork: François Bourgeon
Übersetzung: Ishel Ute Eichler
Übersetzung des Anhangs: Martin Budde
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2010 Hardcover, 56 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-86869-144-3
Frank Drehmel
Mit seiner von Publikum wie Kritik begeistert aufgenommenen Alben-Reihe „Reisende im Wind“, die – ursprünglich auf Deutsch bei Carlsen erschienen – aktuell vom Splitter Verrlag neuaufgelegt worden ist, gelang dem ausgebildeten Glasmaler François Bourgeon Anfang der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts der Durchbruch in der frankobelgischen Comic-Szene. Die dreibändige Serie „Die Gefährten der Dämmerung“, die 1986 bis 1990 erschien, ist Bourgeons zweiter Ausflug ins Comic.
Der Hundertjährige Krieg hat im spätmittelalterlichen Frankreich seine Spuren hinterlassen: plündernd und mordend ziehen Soldateska durch ein verheertes Land, in dem die Angst vor Hexen und der Aberglaube das Leben der ländlichen Bevölkerung bestimmen.
Die junge Mariotte ist eines der unglücklichen Mädchen, die mit roten Haaren geschlagen sind und die deshalb von Gleichaltrigen bestenfalls verspottet und schlechtestenfalls misshandelt werden. Nachdem eines Tages ein Gruppe Jugendlicher – darunter auch der forsche Anicet – das Mädchen einmal mehr schwer gedemütigt hat, weist Mariotte einem Trupp Soldaten bereitwillig den Weg in ihr Heimatdorf, nicht ahnend und wollend, dass sie so dessen Untergang besiegelt. Als sie, geschickt von ihrer Böses ahnenden Großmutter, das Dorf erreicht, findet sie die Menschen vergewaltigt, verstümmelt und ermordet; lediglich Anicet balanciert noch lebend mit einer Schlinge um den Hals unter einem Ast auf einem rollenden Fass. Doch es ist nicht Mariotte die den Jungen aus der tödlichen Lage befreit, es ist ein Ritter ohne Namen, ein Ritter mit einem zerstörten Gesicht, der Anicet losschneidet, um ihn fortan als Knappen und Diener mit sich zu nehmen, während das Mädchen zunächst angstvoll flieht. Schließlich jedoch stößt auch Mariotte zu den beiden und erfährt von dem Ritter seine Lebensgeschichte und von seiner seltsamen Quest: als ehemaliger, unwissender Vasall der zerstörerischen Schwarzen Kraft, die neben der Roten und Weißen Kraft als eine von drei weltschöpfenden Mächten jedem Lebewesen innewohnt, sucht er nun seinen ehemaligen „Herrn“, um von ihm mit dem Schwert Rechenschaft für all das Leid und Morden zu fordern, für das er verantwortlich zeichnete.
Ihr Weg, von dem der Ritter nicht weiß, ob er überhaupt der richtige ist, führt die drei sehr ungleichen Verbündeten in einen morastigen Wald – den Nebelwald –, in welchem Mariotte kurz darauf von Vorahnungen heimgesucht wird. Und es dauert in der Tat nicht lange, bis die Suchenden fleischfressenden Kobolden in die Hände fallen, die nicht gut auf das Menschengeschlecht im Allgemeinen und die Reisenden im Besonderen zu sprechen sind, da die drei Riesen unabsichtlich das Dorf der kleinen Wesen zertrampelt haben. Ehe sie sich versehen, werden der Ritter, Mariotte und Anicet durch den Lilienrat der Kobolde zum Tode verurteilt.
Obgleich Bourgeon den durch und durch realistisch-historischen Standpunkt, den er in „Reisende im Wind“ einnimmt, in „Die Gefährten der Dämmerung“ zugunsten phantastisch-mystischer Elemente verlässt, stellt Realismus immer noch ein Hauptanliegen des Künstlers und Autors in Personalunion dar – nunmehr jedoch eine Art magischer Realismus. Dementsprechend stimmig und plausibel wirkt vom Ambiente und Kleidung über die spärliche Architektur bis hin zur Sprache beziehungsweise Ausdrucksweise der menschlichen Protagonisten der spätmittelalterliche Hintergrund. Das Metaphysische in Gestalt der Kobolde hingegen umgibt etwas Unheimliches und zutiefst Unmenschliches, was nicht nur an der reimprosaischen Sprechweise der Wesen liegt – an dieser Stelle sei explizit auf die alles gelungene Übersetzung Ishel Ute Eichlers hingewiesen –, sondern auch an der grafischen Umsetzung der Physiognomie der Kobolde, die – glaubt man dem Nachwort – eine reale Grundlage in dem „Tier von Tollund“ haben soll, welches der deutsche Archäologe Karl Heinrich Rubinstein im Jahre 1937 gefunden haben will. Die Geschichte selbst ist dank der interessanten, sehr unterschiedlichen Protagonisten lebendig und spannend inszeniert und von einem Hauch mehr oder weniger unterschwelliger Erotik getragen, wobei der Story eine gewisse Vorhersehbarkeit allerdings nicht abzusprechen ist.
Das Artwork François Bourgeons ist unterm Strich vergleichsweise realistisch – wenn auch nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet – und um eine ausdrucksstarke Körpersprache der Figuren bemüht, wirkt aber szenenweise etwas hölzern und körperstudienhaft inszeniert.
In editorischer Hinsicht komplettieren ein Einblick in das Skizzenbuch des Künstlers sowie ein dreiseitiger, illustrierter Artikel über „Das Tier von Tollund“ diesen ersten Band der Trilogie.
Fazit: Ein gefälliger, eher ruhig inszenierter Mix aus Historiengeschichte und mythologisch angehauchter Fantasy, der nicht nur für Bourgeon-Fans einen Blick wert sein sollte.