Stefan Cernohuby & Wolfgang Schroeder (Hrsg.): Dampfmaschinen und rauchende Colts (Buch)

Stefan Cernohuby & Wolfgang Schroeder (Hrsg.)
Dampfmaschinen und rauchende Colts
Eine Steampunk-Western-Anthologie
Titelillustration von Georgie Retzer
Verlag Thorsten Low, 2014, Taschenbuch, 262 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 978-3-940036-27-8

Von Carsten Kuhr

Seitdem sich die großen Verlage, immer dem letzten Trend hinterherlaufend, vom Steampunk abgewandt haben, scheinen die entsprechenden Veröffentlichungen erst so richtig in Gang zu kommen. Insbesondere die Kleinverlage stoßen gerne und bereitwillig in die Lücke, nehmen den Ball auf und bieten dem Fan des Dampf-Abenteuers bestes Lesefutter.

Western-Steam, wie man die Spielart der Geschichten um Dampf und den wilden Westen treffend nennen könnte, ist eine relativ neue Spielart. Neben vorliegender Anthologie ist mir bislang zumindest nur der erste Band einer Heftserie namens „Aetherwestern“ bekannt, so dass ich mich mit Interesse und Neugier an die Lektüre machte.

Zunächst musste ich erkennen, dass der Begriff Anthologie ein wenig irreführend ist. Statt einer Sammlung von unterschiedlichsten Kurzgeschichten erwartet den Leser ein Roman, der von diversen Autoren verfasst wurde. In jedem Kapitel wechselt der Verfasser, werden andere, neue Schwerpunkte und Ansätze gewählt, der Plot selbst aber vorangetrieben.

Um was geht es?

Wir finden uns in Kansas im Jahre des Herrn 1876 wieder. Nachdem er den Sezessionskrieg überstanden hat und dabei die Gräuel des Krieges hautnah am eigenen Leib erfahren musste, hat sich der ehemalige Nordstaaten-Offizier und Erfinder Thomas Craven im Nirgendwo niedergelassen. Hier, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, erfindet er die tollsten, dampfbetriebenen Maschinen, selbst eine unerschöpfliche, revolutionäre Energiequelle ist seinem genialen Geist entsprungen. Diese Erfindung ruft Neider auf den Plan. Mütterchen Russland, der Zar, selbst entsendet seine Agenten, die Maschine und den Erfinder zu kidnappen und nach Russland zu entführen.

Zunächst scheint das Vorhaben von Erfolg gekrönt zu sein. Die Agenten kapern ein Luftschiff, entführen den Wissenschaftler und fliehen gen Westen. Verfolgt von der Ordnungsmacht, unterstützt von einem Verräter, beginnt ein Wettrennen in Richtung Küste – wird die tolldreiste Tat gelingen, wird Mütterchen Russland in Kürze über eine unendliche Energiequelle verfügen, oder gelingt es dem die Russen verfolgenden General, das Unheil aufzuhalten?

Ich stellte vorhin die Frage, was den Leser erwartet. Nun, die kurze Handlungszusammenfassung kann und soll nicht alle Einzelheiten umfassen, doch was die Autoren – darunter viele Profis – hier präsentieren, das zeugt in jeder Zeile davon, mit wieviel Begeisterung und Spaß man bei der Sache waren. Da fliegen Cowboys zur Überprüfung der Weidezäune in Luftschiffen, werden Postkutschen von Lenkballons überfallen, gilt es Goldschätze zu heben und Eisenbahnrennen zu fahren, dass es eine wahre Pracht ist.

Das Gebotene liest sich packend, verwöhnt mit zum Teil skurrilen, dann wieder bekannten aber ein wenig abgewandelten Figuren und wahnwitzigen Erfindungen und zeigt in besten Maße, was für ein noch ungehobenes Potential im Steampunk schlummert. Es bleibt die Hoffnung, dass wir nicht das letzte Mal aus dem dampfbetrieben Wilden Westen gehört haben.