Michael J. Sullivan: Der Turm von Avempartha (Buch)

Michael J. Sullivan
Der Turm von Avempartha
Riyria 2
(Theft of Swords / Avempartha, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Wolfram Ströhle
Titelillustration von Frederico Mussetti
Karten von Michael J. Sullivan
Hobbit Presse, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 380 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-608-96013-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Zwei Jahre sind vergangen, in denen Alric, der junge König von Melengar, seine Position festigen konnte. Arista, seine ältere Schwester, will keine Prinzessin sein, die man zum Wohle des Landes mit einem mächtigen und reichen Schwachkopf verheiratet. Als Botschafterin Melengars ist sie aber auch nicht allzu glücklich, denn an vielen Höfen ist das Wort einer Frau wenig wert, und kaum jemand hat vergessen, dass man sie wegen Hexerei hatte hinrichten wollen.

Zwar ahnt Arista, dass sie kaum jemandem aus ihrem Umfeld vertrauen darf, doch wie weitreichend die Intrigen tatsächlich sind, bleibt ihr sogar noch verborgen, als sie zu einem Turnier eingeladen wird, bei dem die Kirche den Nachkommen des Imperators Novron zu ermitteln hofft, denn nur er, so wird behauptet, könne das magische Ungeheuer besiegen, das die kleine Ortschaft Dahlgren heimsucht.

Ausgerechnet dort gibt es für Arista ein Wiedersehen mit den Dieben Hadrian und Royce. Die Bauerstochter Thrace hat die beiden engagiert, damit sie ihren Vater retten, der nach dem Verlust der Familie den Tod im Kampf gegen die Bestie sucht. Den Rat, sich an die schon zu Lebzeiten legendären „Riyria“ zu wenden, gab ihr niemand Geringeres als der Magier Esrahaddon, der die Hilfe der Diebe benötigt, um Zugang zum „Turm von Avempartha“ zu erhalten, da er glaubt, dort die Mittel zu finden, seine Mission zu erfüllen.

Während Hadrian die Dorfbewohner vor den Angriffen des Monsters zu beschützen versucht, bemüht sich Royce, einen Weg in den uralten, von Elben in einem reißenden Fluss oberhalb eines Wasserfalls erbauten Turm zu finden, zu dem keine Brücke führt. Angeblich befindet sich dort die einzige Waffe – ein Schwert –, mit der das Untier besiegt werden kann.

Auch der zweite „Riyria“-Roman ist in sich abgeschlossen und nimmt nur am Rande Bezug auf die Geschehnisse in „Der Thron von Melengar“ durch wiederkehrende Charaktere und kurze Erklärungen, die beiläufig in Nebensätzen eingeschoben werden. Selbst über die Hauptfiguren Hadrian und Royce wurde bislang nichts Wesentliches verraten. Infolgedessen ist es nicht zwingend notwendig, den ersten Band gelesen zu haben – aber wer möchte schon eine Serie mittendrin beginnen?!

Versuchte der Autor zunächst, die Welt Elan und die Hintergründe der Konflikte zu erklären, indem er Mythen und geschichtliche Ereignisse einflocht, so wendet er sich diesmal den aktuellen politischen Problemen zu, schafft es aber nicht, die drei Fraktionen (Anhänger der Monarchie, des ersehnten Imperators und der Republik) dem Leser näherz bringen und sie mit Gesichtern zu verbinden, zumal nicht alles so ist, wie es zunächst den Anschein hat.

Im Mittelpunkt stehen einige Kirchenmänner, die die Lehre Nyphrons verbreiten und den Nachkommen des sagenhaften Königs und Halbgottes Novron suchen, um ihn zum Imperator zu erheben. In Wirklichkeit wollen sie diesen jedoch ermorden und durch eine ihrer Marionetten ersetzen, um die Macht über alle Länder an sich zu reißen. Ihre Repräsentanten sind eindimensional böse, verschlagen und skrupellos – wie schon die Gegenspieler von Hadrian und Royce im ersten Buch, bei denen es sich um dieselben Würdenträger und ihre Helfershelfer handelte.

Im Kontrast zu diesen sind die Diebe schon wieder viel zu sympathisch und edel, um realistisch zu wirken. Daran kann auch Royce nichts ändern, der sich regelmäßig düster gibt und andeutungsweise eine finstere Vergangenheit enthüllt. Ehrenkodex hin, Mitgefühl her: Wissentlich treten sie für einen Hungerlohn dem sicheren Tod gegenüber und lassen jegliche Chance, sich in Sicherheit zu bringen, verstreichen. Dadurch ziehen sie außerdem die Aufmerksamkeit der Inquisition auf sich, deren Ritter den Auftrag haben, Gegner der Nyphron-Kirche unschädlich zu machen und Elben beziehungsweise Elben-Mischlinge zu verfolgen. Im Laufe der Geschehnisse fallen einige Andeutungen, die die Vermutungen bestätigen, um wen oder was es sich bei Hadrian und Royce handeln könnte, die jede Menge Geheimnisse hüten.

Obwohl der flüssig erzählte und stellenweise leicht humorige Roman alle Handlungsstränge verknüpft und keine Fragen offen lässt, bleiben doch ein paar lose Fäden, wodurch die Weichen für die Fortsetzungen gestellt werden. In den USA liegen bereits sechs Bände über die Abenteuer von Hadrian und Royce vor, ferner zwei Prequels, die „Ryiria Chronicles“.

Hat man Freude an der unterhaltsamen Lektüre, die trotz kleiner Schwächen in den Bann zieht und die dankenswerterweise weder der ‚Hausfrauen-Fantasy‘ noch den ‚verliebten Fabelwesen‘ zugeordnet werden kann, darf man gespannt sein, wann Klett-Cotta die nächsten Romane präsentiert und wie es weitergeht!