Charmed 1 (Comic)

Paul Ruditis
Charmed 1
(Charmed 0-5, 2013)
Aus dem Amerikanischen von Sandra Kentopf
Titelillustration und Zeichnungen von Dave Hoover, Marcio Abreu & Noco Malgapo
Panini, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 176 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-95798-100-4

Von Christel Scheja

In den letzten Jahren hat sich durch die Fortführung der Joss-Whedon-Serien „Buffy“ & „Angel“ herausgestellt, dass bei den langjährigen und neuen Fans der Kultklassiker durchaus Interesse besteht, mehr über das Schicksal ihrer Helden zu erfahren, da oft die letzten Geschichten der Verfilmung nicht so befriedigend waren, dass die Zuschauer sich ganz davon lösen wollten. Zwar hatte „Charmed“ einen sauberen Abschluss erhalten, sich aber auch hier Möglichkeiten für eine Fortsetzung gelassen. Die Saga um drei mächtige Hexen einer uralten Blutlinie darf nach acht Staffel im Fernsehen nun eine neunte in gemalter Form erleben.

Piper, Phoebe und Paige haben ihr Vermächtnis erfüllt und die Kräfte des Bösen bezwungen. Gut eineinhalb Jahre können sie nun schon mit ihren Lebenspartnern und Kindern in Frieden leben uns sich ganz um familiäre Probleme kümmern. Denn immerhin erwachen nun in ihren Sprösslingen die Fähigkeiten, die sie selbst und ihre Männer besitzen, denn ob nun ehemaliger Wächter des Lichts oder dämonischen Ursprungs: die Gaben sind allen geblieben.

Da von außen keine Gefahr zu drohen scheint, gehen die drei Frauen ganz ihrer Mutterrolle auf – bis zu dem Tag, an dem sie erfahren müssen, dass zwei entfernte Bekannte gestorben sind; ausgerechnet diejenigen, die sie einst vor dem Bösen gerettet haben. Schon bei der ersten Beerdigung, an der sie aus alter Freundschaft teilnehmen, spüren sie, dass bei dem Tod der Person nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist: die Frau ist stark gealtert, dunkle Magie ist deutlich spürbar.

Piper, Phoebe und Paige horchen auf, sehen sich nun mit wachen Augen um und müssen feststellen, dass dies nur die Spitze eines Eisbergs von Morden ist, einer Serie von unerklärlichen Toden, die nur eine Gemeinsamkeit haben – alle Opfer wurden einst von den „Mächtigen Drei“ gerettet. Das uralte Böse kehrt dadurch in die Welt zurück, eine Macht, die stärker als alle Finsternis ist, die die Schwestern bisher kennengelernt haben. Und diesmal haben sie weit mehr zu verlieren als früher...

„Charmed“ ist anders als „Buffy“ und „Angel“ eine Serie, in der die Soap-Elemente (Liebe und Familie) eine größere Rolle einnehmen und so die eigentlichen Bedrohungen und Gefahren in den Hintergrund drängen, und damit auch die Action viel harmloser erscheinen lassen. Trotzdem sind die Heldinnen immer wieder gezwungen, sich ihren Gegnern auch im Kampf zu stellen, aber emotionale Verluste und Verletzungen zählen für sie um Einiges mehr und werden in entsprechenden Szenen ausgelebt. Oft genug begehen die jungen Frauen auch Fehler, weil ihnen die Liebe den Kopf verdreht und sie das Offensichtliche nicht erkennen lassen. Zudem fügen sie sich leichter als Buffy und Co. in die gängigen Rollenklischees des amerikanischen Fernsehens ein, genau so wie die Magie durch in Reimform intonierte Zaubersprüche, verspielte Rituale und Kräutertränke doch eher die gängigen Hexen-Vorstellung der in der klassischen, märchenbetonten Hausfrauen-Esoterik widerspiegelt.

In diesem Stil ist auch die Graphic Novel gehalten, deshalb sollte man sich nicht darüber wundern, dass den Familien der Schwestern und ihren Befindlichkeiten Einiges an Raum gegeben wurde und das Abenteuer eher ein wenig im Hintergrund bleibt. Immerhin erfassen die Künstler die Persönlichkeiten richtig, so dass es da keine Brüche gibt.

Die Comic-Fortsetzung muss auch nicht unbedingt alte Baustellen aufarbeiten, sondern kann ganz frisch anfangen, auch wenn man sich doch ab und zu auf die Vergangenheit bezieht. Die Kenntnisse, die man benötigt, um die Geschehnisse zu verstehen, werden in einer Art „Buch der Schatten“ im ersten Kapitel vermittelt, die dortigen Informationen helfen auch, sich an die wichtigsten Entwicklungen in der Fernsehserie zu erinnern, wenn man schon länger nicht dazu gekommen ist, die Episoden zu sehen.

Die Geschichte selbst ist so aufgebaut, wie man sie kennt; neben vielen alltäglichen Begebenheiten und Sorgen, die gelegentlich auch mit ein bisschen Magie aufgepeppt und gelöst werden, kommt nach und nach die Bedrohung ins Spiel. Die Schwestern werden wie üblich darauf aufmerksam und beschließen zu handeln, was am Ende in einem Duell der Kräfte endet. Zwar bleiben sie in der in sich geschlossenen Geschichte die Sieger, man merkt aber auch, dass nicht alle Probleme gelöst wurden und so der Grundstein für eine spannende Fortsetzung gelegt ist.

Alles in allem ist der Auftakt der Saga gelungen umgesetzt, auch wenn die Zeichnungen die Schauspieler nicht immer richtig treffen, so stimmen inhaltlich doch die Atmosphäre und die Erzählweise und wecken passende Erinnerungen an die Fernsehserie. Wer nur wenige oder gar keine Episoden gesehen hat, wird allerdings wenig mit dem Comic anfangen können, dazu richtet er sich zu sehr an die altgedienten Fans.

Wer „Charmed“ als Serie im Fernsehen geliebt hat, der wird sicherlich auch seinen Spaß an der Comic-Weiterführung finden, bietet die Geschichte doch alles, was man an der Serie liebgewonnen haben mag: mutige Heldinnen, eine familiäre Atmosphäre, viel Liebe und düstere magischen Bedrohungen, deren Ausmaß sich erst nach und nach entfaltet, aber niemals wirklich unbesiegbar ist.