Universal War One 6: Der Patriarch (Comic)

Denis Bajram
Der Patriarch
Universal War One 6
(Universal War One: Babel, Frankreich, 2006)
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
Titelgestaltung von Dirk Schulz
Splitter, 2008, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 Seiten, ISBN 978-3-939823-17-9

Von Irene Salzmann

Die Erde existiert nicht mehr. Die Letzten von der Schwadron Purgatory, die den Untergang hatten aufhalten wollen, sind gescheitert. Sie befinden sich 30 Jahre in der Zukunft, als sie einsehen müssen, dass sich die Vergangenheit nicht ändern lässt. Zwar ist die Menschheit nicht ausgestorben, da sie sich über andere Welten ausbreiten konnte – der Mars wurde in Erde 3 umbenannt –, doch vegetiert die Bevölkerung unter unwirtlichen Bedingungen und kontrolliert von der CCI bloß noch vor sich hin.

Die zwei Männer und zwei Frauen finden ihr Schicksal: Amina wird erschossen, Mario sinnt auf Rache, Kalish entzieht sich der Verantwortung durch Erhängen – allein Kate ist stark genug, um weiter zu machen. Sie kann Kalish rechtzeitig vom Strang befreien und erhält Unterstützung von ihrem Vater und dessen Gefährtin. Allerdings ist die Überwachung durch die CCI absolut, so dass die kleine Rebellengruppe gefasst wird.
Kalish steht schließlich am Sterbebett des Initiators und erfährt die deprimierende Wahrheit – von einem Racheplan, der die Zeiten überdauerte. Alles scheint verloren, doch eine humane Idee greift auch …

Die Comic-Serie »Universal War One« war von Anfang an keine leichte Kost, darum überrascht es auch nicht, dass der sechste und letzte Band das Bisherige noch einmal toppt. Was wie eine intelligente Space-Opera im Stil von »Babylon 5« begann und sich mit dem komplizierten Phänomen der Zeitreise beschäftigte, entwickelte sich schnell zu einer Dystopie mit philosophischen Problemstellungen. Beide Aspekte halten sich gelungen die Waage.
Das Thema an sich und die komplexe Form seiner Aufbereitung – mit erklärenden Rückblenden, in denen die Ursprünge der persönlichen Dramen enthüllt werden, Zeitsprüngen und Ortswechseln, nach denen nichts mehr so ist wie zuvor, und erschreckenden Katastrophen – wenden sich an erwachsene Leser, die aufmerksam und geduldig den Ereignissen folgen und gern die Herausforderung annehmen, die der anspruchsvolle Plot stellt. Tatsächlich ist die Handlung überhaupt nicht leicht lesbar, gefällig, unterhaltsam und mit glücklichen Wendungen besetzt – ganz im Gegenteil.
Immer wieder lässt Denis Bajram ein Fünkchen Hoffnung keimen, um dann die Enttäuschung und das Desaster umso heftiger ausfallen zu lassen. Jetzt endlich erfährt man, was wirklich hinter allem steckte und wer die Fäden zog, wer das nationalsozialistisch anmutende Regime initiierte – und was aus Kate und Kalish wurde/wird. Nach dem endlos scheinenden Albtraum ist das Ende erstaunlich versöhnlich. Der Kreis schließt sich, die ›Bibelzitate‹ werden erklärt; das Finale ist angemessen und überzeugend.
Die Illustrationen sind von gleich bleibend hoher Qualität, realistisch und düster. Die Ton-in-Ton-Kolorierung trägt gelungen die bedrückende Stimmung. Im Anhang findet man einige mit Anmerkungen versehene Entwürfe des Künstlers, die zeigen, wie sich Charaktere, Panels und Cover entwickelt haben und welche Probleme es zu lösen galt. Denis Bajram erzählt von einer Idee, die er weiter entwickelt und an der er acht Jahre hart gearbeitet hat.
Doch noch mehr bietet der Blick hinter die Kulissen: Eine Zeittafel veranschaulicht die Geschehnisse inklusive der verwirrenden Zeitsprünge. Nachdem man sich mit ihr befasst hat, möchte man die Serie gleich ein zweites Mal lesen, denn vieles, was zunächst unklar blieb (auch wegen der zeitlichen Abstände zwischen den Alben), dürfte nun eher nachvollziehbar sein.

»Universal War One« ist eine anspruchsvolle SF-Serie mit einer komplexen Geschichte und unbequemen Protagonisten, an deren Schicksal man dennoch Anteil nimmt. Sucht man einen unterhaltsamen, spannenden Comic, ist man hier an der falschen Adresse. Die Reihe erwartet von ihren Lesern viel Aufmerksamkeit, Mitdenken und ein gewisses Interesse an Naturwissenschaften und Philosophie – sie ist ungewöhnlich und auf eigentümliche Weise fesselnd: eine wirklich klasse Serie für erwachsene Genre-Fans und Sammler schöner Alben!