Vaughn, Carrie: Die Stunde der Hexen – Midnight Hour 4 (Buch)

Carrie Vaughn
Die Stunde der Hexen
Midnight Hour 4
(Kitty and the Silver Bullet)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Ute Brammertz
Titelillustration von Dirk Schulz
Heyne, 2009, Paperback, 444 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-453-53314-1

Von Carsten Kuhr

Willkommen zur vierten Ausgabe der »Midnight Hour«, der etwas andere Radio Talkshow der USA. Ich bin ihre Gastgeberin Kitty Norville, eine waschechte Lykantropin, umgangssprachlich auch Werwölfin genannt, und einmal mehr geht es heute Abend um Vampire, Werwölfe deren Machtspiele, Kriege und ihrem Wild, den Menschen.

Eine Hiobsbotschaft erreicht Kitty und ihren Liebhaber, den Rechtsanwalt und Neuwerwolf Ben: Kittys Mutter ist an Krebs erkrankt. Nun helfen alle Schwüre nichts mehr, Kitty muss in ihre Heimatstadt nach Denver zurückkehren, dem Ort, wo ihre steile Karriere begann, der Platz aber auch, an dem sie ungewollt zur Lykantropin wurde, an dem ihr damaliger Alpha Carl sie missbraucht und unterworfen hat. Kaum in Denver angekommen meldet sich auch schon ein alter Bekannter bei ihr. Rick, die Nummer zwei unter den Vampiren Denvers sucht nach Verbündeten. Im Kampf gegen den Gebieter der Stadt fordert er Kittys Unterstützung und bietet ihr im Gegenzug Hilfe bei dem Schutz ihrer Familie gegen ihr altes Rudel an. Als sich dann noch eine uralte Vampirin einmischt und die Kontrahenten gegeneinander ausspielt, kommt es zu dem, was Kitty auf jeden Fall vermeiden wollte – sie wird in den Krieg der Vampire hineingezogen …

Pelz, Tatzen und Reißzähne sind ebenso wie die saugenden Untoten aus den Bestsellerlisten mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Entsprechende Serien beherrschen die monatlichen Ausstöße der großen Publikumsverlage, andere Sparten der phantastischen Literatur fristen, wenn überhaupt, nur noch ein Mauerblümchendasein. Man mag darüber lamentieren, die Verkaufszahlen sprechen für sich. Mittlerweile sind fast alle erfolgreichen Reihen von jenseits des Atlantiks bei uns in Übersetzungen erhältlich.
Die Reihe um die Werwölfin und Mitternachts-DJ Kitty Norville gehört zu den erfolgreicheren Reihen auf dem deutschen Markt. Den Leser erwartet eine wohlerprobte Mischung gängiger Versatzstücke entsprechender Werke. Unsere charismatische Ich-Erzählerin gerät ein ums andere Mal in den Bann der übernatürlichen Gesellschaft, der sie selbst ungewollt angehört. Als Mittlerin zwischen der Welt der Menschen, den Werwesen und Vampiren bemüht sie sich, Hilfe zu leisten wo sie kann, wird aber immer wieder auch angefeindet und angegriffen. Immer dann, wenn sie in eine Ecke gedrängt wird, wenn sie unter Druck gesetzt und bedroht wird, übernimmt die Wölfin in ihr das Zepter – und die hat nicht nur Nehmerqualitäten, sondern kann auch austeilen.
Das bietet dem Leser eine willkommene Haut, in der er oder sie schlüpfen kann um letztlich allen Widerständen und Gegnern zum Trotz zu triumphieren. Dass die Siege schwer erkauft werden müssen, dass Kitty immer wieder auch Verluste wegstecken muss, mit Enttäuschungen und Niederlagen fertig werden muss macht sie als Protagonistin nur interessanter.

Warum aber kann mich dann diese Serie nicht in dem Maße fesseln, wie es andere Urban-Fantasy-Sagen es zu tun vermögen? Vielleicht, weil die Elemente aus denen Carrie Vaughn ihre Handlung bastelt gar zu bekannt und abgegriffen sind. Einen Vampirkrieg um die Dominanz einer Stadt, das haben wir schon gut ein Dutzend mal gelesen, ein erkranktes Familienmitglied, das sich weigert zur Genesung vor der tödlichen Krankheit die Wandlung zu akzeptieren ist auch nicht unbedingt umwerfend neu, und die Kämpfe der Rudel lassen die Intensität der Konkurrentinnen (Patricia Briggs) vermissen. Das liest sich zwar flüssig und abwechslungsreich, doch es fehlt einfach am Neuen, am Einzigartigen, das diese Reihe auszeichnen würde.

Wer nicht, wie ich, zu viele derartige Romane gelesen hat, wird hier kurzweilig und spannend bedient. Allein, die Fähigkeit ihren Leser mit einer wirklich eigenen Idee zu packen fehlt Vaughn bislang.