Carbon Grey 1: Schwestern im Krieg (Comic)

Hoang Nguyen, Khari Evans, Paul Gardener, Mike Kennedy
Carbon Grey 1
Schwestern im Krieg
(Carbon Grey 1-3, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Alexander Rösch
Cover und Zeichnungen von Khari Evans, Kinsun Loh, Hoang Nguyen
Panini, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 100 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-86201-740-9

Von Britta van den Boom

Es fühlt sich an, als würde man mit Folge 75 in eine Serie einsteigen. Personen tauchen auf und wissen genau, mit wem sie es bei ihrem Gegenüber zu tun haben – der Leser ist ahnungslos. Große Dinge passieren: Kriege, Attentate, Verrat und Fluchten, viele Kämpfe, in denen minutiös dargestellte Körperteile quer über die Seiten fliegen, eine alte Prophezeiung von einer 13. Tochter, der „Carbon Grey“, die alles ändern wird. Der Leser liest und nickt und sucht nach dem Verstehen.

Und er ist damit nicht ganz alleine, denn auch die Protagonisten ahnen in der an das Europa zur Zeit des ersten Weltkrieges angelehnten Welt oft nur, was vor sich geht. Sie zumindest aber erleben alles in der richtigen Reihenfolge, während zahlreiche Rückblenden und Szenenwechsel für den Leser des ersten Bandes dieser Reihe das Verwirrungskarussell noch weiter in Schwung bringen. Comic, Videospiel oder Film – die Charakteristika der Medien verschwimmen bei „Carbon Grey“, der Geschichte um die vier Schwestern Grey, die seit ihrem berühmten Vorfahren als treue Vasallen fest mit dem Kaiserhaus verbunden sind ... bis jetzt.

Wer sich darauf einlässt, erst einmal nicht zu verstehen, worum es eigentlich geht, der wird mit einer spannenden Geschichte, lebhaften Figuren und einer dichten, düsteren, vom Steampunk beeinflussten Atmosphäre belohnt.

Die naturalistischen Comic-Malereien – bei denen nur der Beigeschmack bleibt, dass nahezu jede attraktive Frau ihre weiblichen Reize permanent auf einem Tablett serviert, was für manchen Leser sicherlich eher als Kaufanreiz gelten mag – sind überzeugend und dynamisch und treiben die Geschichte stets im richtigen Tempo voran. Perfekt ergänzt werden sie durch die stimmungsvolle, in Sepiatönen oft fast monochrom anmutende Kolorierung – eine moderne Erzählung in gekonnt altertümlichem Gewand.

Große Hilfe beim Verständnis der Geschichte leistet ein Extra am Schluss des Sammelbandes, bei dem alle Geschehnisse noch einmal in der ungewöhnlichen Form eines Berichtes aus der Sicht und scheinbar der Feder zweier Kinder zusammengefasst werden. Danach machen auch Dinge Sinn, die im eigentlichen Comic zu subtil waren oder Vorwissen voraussetzen, das der Leser nicht haben konnte. Eine schöne Idee, die der Geschichte ihre Feinheiten bewahrt, sie gleichzeitig aber nachvollziehbarer macht. Auch anderes Zusatzmaterial – die Cover-Galerie der Einzelbände, eine Einleitung von Christian Endres, eine Karte der Welt und eine entfallene Szene im Layoutstatus -rundet „Carbon Grey“ angenehm ab.

Der erste Sammelband von Panini umfasst drei Bände der Serie und endet erst einmal sehr offen – was die Spannung auf Band 2 erhöht. Nichts erhöht die Vorfreude mehr als noch ungelüftete Geheimnisse.