Howe, Katherine: Das Hexenbuch von Salem (Buch)

Katherine Howe
Das Hexenbuch von Salem
(The Physic Book of Deliverance Dane)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Judith Schwaab
Titelillustration von FinePic
Page & Turner, 2009, Hardcover, 510 Seiten, 18,95 EUR, ISBN 978-3-442-20356-7

Von Carsten Kuhr

Kaum ein anderes Ereignis hat die Nation ohne eigene Geschichte so sehr beschäftigt, wie die Hexenverfolgungen und Hinrichtungen von Salem Anno 1681 – 1692. Was die US-Amerikaner sonst nur aus den überlieferten Berichten ihrer Ursprungsländer kannten, die Verfolgung von Frauen durch Männer, die mit kirchlicher Duldung oder gar im Auftrag der Mutter Kirche als Inquisitoren durch die Lande zogen und Unschuldige der Befragung unterzogen um durch mehr als fragwürdige Gottesurteile diese dem Scheiterhaufen zu übergeben, das fand seinen Niederschlag auch im puritanischen Massachusetts.
Katherine Howe hat sich dieser Vorlage angenommen, dabei aber ganz eigene Wege eingeschlagen. Zwar stützt auch sie sich auf die Verfolgungen, berichtet uns in Einschüben immer wieder von den Verhandlungen in der Vergangenheit, nutzt dies aber nur als Gerüst, das sie mit einer faszinierenden Jagd nach Rätseln füllt.

Connie Goodwin ist eine der vielversprechendsten Studentinnen in Harvard. Ihr Doktorvater, Manning Chilton, Leiter der Historischen Fakultät, erwartet von ihr bei ihrer Doktorarbeit etwas ganz Besonderes. Sie soll eine neue Primärquelle auftun, mit deren Hilfe die Denkweisen, die zur Verurteilung der Heilerinnen geführt haben, neu bewertet werden können. Doch wo nur kann die Doktorantin eine solche Primärquelle finden, und warum setzt sie ihr Mentor so unter Druck?
So ist sie ganz froh, als ihre Mutter sie bittet, das seit Jahren verlassene und entsprechend heruntergekommene Haus ihrer verstorbenen Großmutter in der Nähe von Salem auszuräumen und für einen Verkauf vorzubreiten. In den Überbleibseln eines vergangenen Lebens findet sie, versteckt in einem Schlüssel, ein brüchiges Pergament mit dem Namen eine Frau. Ihre Nachforschungen bringen sie auf die Fährte einer unbekannten Hexe von Salem und deren Almanach. Immer bedrängt von ihrem Doktorvater und unterstützt von einem charismatischen Restaurator macht sie sich auf, das Mysterium der Verstorbenen und ihres Zauberbuches zu lösen – und entdeckt dabei, dass sie selbst eine ganz persönliche Beziehung zu den Formeln und Rezepten hat …

Was ist das für ein Buch, das in den USA die Bestsellerlisten stürmte? Im weitesten Sinne bewegen wir uns hier im Bereich in dem »Sakrileg« oder auch »Das Vermächtnis der Tempelritter« angetreten sind. Geschickt wird eine Handlung in der Jetztzeit mit historisch belegten Vorgängen in der Vergangenheit verbunden, extrapoliert, eine Dosis übernatürliche Elemente und jede Menge Spannung beigefügt – und fertig ist der Bestseller.

Howe macht das auch nicht ungeschickt. Ihre Figuren sind sympathisch gezeichnet, ihre Handlungsweise jederzeit nachvollziehbar, die Beschreibungen Harvards und Salems glaubwürdig und detailreich. Auch die Verknüpfung der beiden Handlungsstränge – die Vergangenheit und die Moderne – ist gelungen, die Jagd nach dem Buch, die Forschung nach den Geheimnissen spannend und kurzweilig aufbereitet.
Wir nehmen der jungen Frau, die sich auch in unserer aufgeklärten Zeit voller vordergründigen Emanzipation und Gleichberechtigung immer noch mehr als ihre männlichen Kommilitonen bemühen muss, um anerkennt zu werden ab, dass sie introvertiert wie sie ist Probleme hat, emotionale Bindungen einzugehen und sich innerlich Anderen zu öffnen. So hält die Suche nach dem Buch, die Forschung um die Vorbesitzerinnen auch viele (Selbst-)Erkenntnisse für sie bereit, dient ihr auch dazu, sich, ihre Herkunft und ihren Platz in der Welt zu finden.

Bei all diesen positiven Aspekten gibt es aber auch etwas zu kritisieren. Der Plot selbst, die Auflösung der Mysterien sind zu vorhersehbar ausgestaltet worden. Spätestens ab der Mitte des voluminösen Romans ahnt, nein, weiß der Leser anhand der mehr als eindeutigen Hinweise, wohin die Reise geht und wie sich die Geheimnisse auflösen werden. Dass eine Studentin, noch dazu eine herausragende Forscherin, die Hinweise nicht früher deutet ist schlicht unglaubwürdig. Auch der große Überraschungseffekt im Finale bleibt aus.

Insoweit durchaus kurzweilig zu lesende Sommerlektüre, doch mangelt es letzten Endes ein wenig an der unerwarteten Wendung oder Auflösung zum Schluss des Romans.