Coney, Michael: Träume von Pallahaxi (Buch)

Michael Coney
Träume von Pallahaxi
(Hello Summer, Goodbye, 1975 & I Remember Pallahaxi, 2007)
Deutsche Übersetzung von Bernhard Kempen
Heyne, 2009, Taschenbuch, 608 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-52543-6

Von Gunther Barnewald

Der vorliegende Band enthält zwei Romane, die auf dem gleichen Planeten spielen. Während ersterer 1979 erstmals als Heyne Taschenbuch 3673 unter dem Titel »Der Sommer geht« in Deutschland erschienen ist und mittlerweile als Klassiker gilt, ist die Fortsetzung, welche Generationen später auf dem gleichen Planeten spielt, eine Erstübersetzung ins Deutsche.
Wer Coneys Klassiker in der einstmaligen Übersetzung von Yoma Cap schon kennt, den wird an der Neuübersetzung von Bernhard Kempen sicherlich die veränderte Namengebung stören, denn aus dem Protagonisten Alika-Drove wird hier Alika-Druv (der erste Name zeigt dabei immer den Wohn- bzw. Herkunftsort der Person an), Pallahaxi-Starkarm wird zu Pallahaxi-Kraftprotz, Silverjack zu Silbernacken, das Mädchen Ribbon wird zu Bändchen und Pallahaxi-Dickbauch zu Pallahaxi-Wanst, womit der aktuelle Übersetzer vermutlich näher am Original liegt (was allerdings nicht für Drove/Druv gilt, heißt er doch Drove im Original) beziehungsweise die Namen gnadenlos eindeutscht (was sonst durchaus wünschenswert ist, im Fall von »Bändchen« jedoch arg befremdlich wirkt und auch ob der Derbheit der Namen der Pallahaxibewohner die Atmosphäre des Romans deutlich ändert).

Während der Autor bei seiner ursprünglichen Geschichte offen lässt, ob es sich bei den Bewohnern des exotischen Planeten um Menschen oder intelligente Ureinwohner handelt, macht die Fortsetzung deutlich, dass letzteres zutrifft und diese inzwischen Kontakt mit der im Weltraum reisenden Menschheit haben.
Leider kann die Fortsetzung in keinster Weise mit der ursprünglichen Erzählung mithalten, es ist sogar geradezu enervierend, wenn man als Leser merkt, dass die scheinbare Fortsetzung dermaßen starke Unterschiede zum Original aufweist, dass man zweifeln muss, ob hier von den gleichen Lebewesen berichtet wird. Leben in »Hello Summer, Goodbye« die Personen paarweise zusammen und scheinen alle von gleicher Rasse zu sein, so gibt es in der Fortsetzung See- und Landbewohner, die sich physiologisch stark unterscheiden, während bei den Landbewohnern sogar eine strikte Trennung der Geschlechter herrscht. Zudem können die Personen ihre Erinnerungen an ihre Nachkommen bei der Zeugung auf mysteriöse »genetische« Weise weitergeben, ein (mit Verlaub gesagt blödsinniger) Firlefanz, welcher das eigentlich wunderbare Sujet auf grausame Art verhunzt und entstellt.

Auch sonst lässt die Fortsetzung zu Wünschen übrig, wie leider alles, was der Autor seit 1976 veröffentlicht hat. Bestachen seine früheren Werke durch entspannten Stil, exotische Details und (meist) vor allem durch glaubwürdige maritime Landschaften, so fiel seit der Fortsetzung des Romans »Flut« (im Original: »Syzygy«) mit »Brontomek!« Coneys Geschichten blass und langweilig aus, so dass man als Leser den Eindruck hatte, der Autor sei verstorben und jemand anderer, weitaus weniger Talentierter, schreibe an seiner Stelle weiter.

Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass die hier enthaltene Fortsetzung so schwach ausgefallen ist, sondern es war zu befürchten, dass der Autor nicht mehr an seinen wunderbaren Klassiker anknüpfen kann.
Hatte er in »Hello Summer, Goodbye« noch von den Abenteuern eines Jugendlichen am Anfang der Pubertät erzählt, der seine kaltherzigen Eltern ablehnt und wegen seiner eigenen Intelligenz geradezu arrogante Verachtung für sie hegt, und damit einen ungewöhnlich kantigen und eigensinnigen Protagonisten erschaffen, so kann der blasse Jugendliche, der die Handlung in der Fortsetzung tragen soll, kaum Aufmerksamkeit oder Interesse des Lesers auf sich ziehen.

Auch die exotischen Gegebenheiten des Planeten, die im Klassiker so wunderbar ausgedacht und bestechend umgesetzt sind, nutzen sich in einer Fortsetzung natürlich ab. Enttäuschend auch, dass der Klappentext den eigentlichen Plot von »Hello Summer, Goodbye« einfach so fahrlässig verrät, denn der exzentrische Orbit des Planeten bildet den Hintergrund und Höhepunkt für das emotionale Drama, welches sich gegen Ende der Geschichte vollzieht, als der junge Druv/Drove seine erste Liebe und bald auch scheinbar sein Leben zu verlieren scheint.
Bis dahin aber ist der Leser völlig gefesselt von den seltsamen Lebewesen des fremden Planeten, vor allem von den geheimnisvollen Lorin, die eine ganz eigene Intelligenz zu besitzen scheinen und unglaublich empathisch wirken, oder von den gruselig-gefährlichen Eisteufeln, die Wasser zum Gefrieren bringen können und damit ihre Opfer fangen.

Der eigenwillige, manchmal sogar unsympathisch wirkende Protagonist, den man als Leser aber doch irgendwann ins Herz schließen muss, und seine jugendlichen Freunde, alles vom Autor meisterhaft entwickelte Charaktere, ziehen dabei den Leser genauso in den Bann wie gewisse Naturschauspiele, so zum Beispiel die Grume genannte Verdickung des Meerwassers, die zu erstaunlichen Effekten auf die Schifffahrt und die Tierwelt führt.
Zudem führen die intelligenten Bewohner der beiden Kontinente des Planeten gerade Krieg gegeneinander, ein Faktum, welches die Handlung vorantreibt, auch wenn Kriegsszenen nie direkt im Buch auftauchen.
Nimmt man zudem noch den wunderbar anachronistisch wirkenden Dampfwagen, in welchem der Protagonist und seine Eltern in den Ferienort Pallahaxi reisen, welcher aber die neueste technischen Entwicklung für die Planetenbewohner darstellt, so ergibt dies ein rundum zauberhaftes Bild, welches verdeutlicht, was den berühmten Sense of Wonder der Science Fiction ausmachen kann.
In »Hello Summer, Goodbye« kommt er fast vollständig zur Entfaltung. Schade, dass die Fortsetzung zu diesem Meisterwerk so schwach ausgefallen ist.

Trotzdem ist es lobenswert, dass beide Romane nun in einem Band im Heyne Verlag erscheinen, Wolfgang Jeschke sei Dank, denn dieser war Redakteur dieser Ausgabe, und unwillkürlich sehnt man sich in jene Zeiten zurück, als noch solch wunderbare intergalaktische Abenteuerromane angloamerikanischer Schriftsteller bei Heyne erscheinen durften, wie dies bei Coneys Klassiker aus dem Jahre 1975 der Fall war.