Fables 1: Legenden im Exil (Comic)

Bill Willingham
Legenden im Exil
Fables 1
(Fables 1-5, 2002)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Titelillustration von James Jean & Alex Maleev
Zeichnungen von Lan Medina, Steve Leialoha, Sherilyn van Valkenburgh, Craig Hamilton
Panini, 2006, Paperback mit Klappenbroschur, 132 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-86607-269-5

Von Irene Salzmann

Ein unbekannter Feind nahm ein Märchenreich nach dem anderen ein, und als deren Bewohner die Gefahr endlich erkannten, war es längst zu spät, sich ihm gemeinsam entgegenzustellen. Die überlebenden Fables flohen in die Menschenwelt und verbergen sich seither in Fabletown inmitten von New York und, sofern sie keine menschliche Gestalt annehmen können, auf einer abgelegenen Farm.

Alle haben ihr Reich und ihre Habe verloren und müssen für ihren Lebensunterhalt arbeiten. So kümmern sich King Cole als Bürgermeister und Snow White als seine Stellvertreterin um die großen und kleinen Sorgen der Fables. Bigby Wolf fungiert als Polizeichef und ermittelt, wenn ein Verbrechen geschieht.

Wie es scheint wurde Rose Red, Snows Schwester, ermordet. Ihre Wohnung ist verwüstet und voller Blut, die Leiche nicht auffindbar. Hat der namenlose Feind sie etwa aufgespürt? Oder ist der Täter gar ein Fable? Bigby inhaftiert Roses Freund Jack Horner, einen notorischen Lügner und Tunichtgut, der nur wenig später in seiner Zelle von Bluebeard, Roses Verlobtem, gefoltert wird. Gerade noch rechtzeitig kann Bigby das Schlimmste verhindern.

Inzwischen hat er genug Beweise gesammelt, um die Untat aufklären zu können, und am Gedenktag der Fables präsentiert er die überraschende Lösung.

„Fables“ entführt die Fantasy-Freunde in eine Parallelwelt der Gegenwart. In New York/Fabletown tummeln sich unerkannt eine Vielzahl Märchenfiguren, die aus ihrer Heimat hatten fliehen müssen, sich der modernen Welt der Menschen angepasst haben und versuchen, ein halbwegs normales Leben zu führen, insgeheim hoffend, eines Tages in die Heimat zurückkehren zu können.

Ein Mord reißt die Eingeweihten aus ihrem Alltag. Snow White will um jeden Preis erfahren, wer ihre Schwester Rose Red ermordet hat, auch wenn sich die beiden alles andere als nahe standen. Dass sie dadurch selbst zur Verdächtigen wird, macht ihr Bigby Wolf sehr schnell bewusst. Dennoch konzentriert er sich auf den glücklosen Jack, den vorbelasteten Bluebeard, auf Prinz Charming, Snows Ex-Mann, den sie vor Jahren zusammen mit Rose im Bett erwischt hatte, und auf die böse Hexe. Bigbys Methoden sind äußerst unorthodox. Einerseits setzt er seine wölfischen Sinne ein, andererseits provoziert er die Verdächtigen oder arretiert sie auf einen vagen Verdacht hin. Aber er hat auch Köpfchen und fügt ein Puzzlestück nach dem anderen zusammen, bis er die verblüffende Antwort findet.

Die Handlung lebt nicht nur von der Aufklärung des Falles, sondern auch von der Interaktion der sehr individuell gestalteten Charaktere, die in der modernen Welt nicht mehr gar so märchenhaft auftreten, aber letztlich ihren Rollen treu bleiben, geläutert oder schlitzohrig. Nicht alle kennt man in dieser Form aus der Literatur, aus den Disney-Verfilmungen oder den diversen Märchen-Varianten, so dass das „Who’s Who?“ am Ende des Bandes mit der einen oder anderen interessanten Information aufwartet.

Die Zeichnungen sind realistisch und gefällig. Ergänzt wird der Comic durch textlose Cover-Abbildungen sowie eine von Bill Willingham verfasste und illustrierte Kurzgeschichte mit dem Titel „Ein Wolf in der Herde“.

„Fables“ ist ein etwas anderer Comic im weitläufigen Superhelden-Einerlei und bestätigt einmal mehr, dass das DC-Label Vertigo sowohl intelligente und unterhaltsame Abwechslung als auch zeichnerische Qualität bietet. Die Fantasy-Freunde unter den Comic-Sammlern sollten der Serie eine Chance geben.