Storm 3: Das Wüstenvolk (Comic)

Storm 3
Das Wüstenvolk
(Storm: Het Volk van de Woestijn)
Text: Dick Matena
Artwork: Don Lawrence
Übersetzung: James ter Beek und Nikolaus Danner
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2008, Hardcover, 64 Seiten, 15,80 EUR, ISBN 978-3-940864-49-9

Von Irene Salzmann

Durch einen Unfall im Weltraum wird Storm, ein Astronaut des 21. Jahrhunderts, in die ferne Zukunft versetzt und findet sich auf einer Erde wieder, deren Zivilisationen in die Barbarei zurückgefallen sind. Zusammen mit Rothaar, einer mutigen, jungen Frau, versucht er, in dieser feindseligen Welt zu überleben, ahnend, dass es für ihn keine Rückkehr geben wird.

In einer Salzwüste werden Storm und Rothaar von einer Gruppe Männer gefangengenommen. Die beiden erfahren, dass ein Mann namens Prof mit Menschen experimentiert, um sie dem Leben in den Wüsten anzupassen. Mit einer roten Markierung auf der Stirn, dem Hypno, werden die Verschleppten gefügiggemacht. Zu Grauköpfen mutiert, müssen sie in den Minen arbeiten, um das wertvolle Korit aus den harten Korallen zu lösen.
Als sie sich wehren, wird Storm mit einem Hypno versehen und in die Minen geschickt, und Rothaar soll in einer Zelle zermürbt werden, damit sie den Männern zu Willen ist. Es gelingt ihr jedoch zu fliehen und Storm zu finden. Er rettet sie sogar, als man sie entdeckt – aber nur, um sie zu Prof zu bringen, der auch aus ihnen Grauköpfe und die Eltern einer neuen Spezies machen möchte...

Liest man den Comic »Storm«, fühlt man sich sogleich zurückversetzt in die 1970/80er Jahre, als Filme wie »Planet der Affen« und »Mad Max« Akzente setzten, Heftroman-Serien wie »Perry Rhodan« und »Atlan« den Höhepunkt ihrer Popularität erlebten, phantastische Bücher wie »Conan« und die »Foundation«-Trilogie im Buchhandel auslagen, Comics wie »Trigan« und »Andrax« die Freunde der Phantastik begeisterten.
Damals waren die Helden noch Muskel bepackte, ›gute‹ Übermenschen, die sich sofort jeder neuen Situation anpassten und für jedes Problem im Handumdrehen eine Lösung fanden. Ihnen zur Seite standen einige Heldenbegleiter, deren Schwächen die Genialität der Hauptfigur betonten. Unter ihnen befand sich mindestens eine spärlich bekleidete Schöne, die den Helden anhimmelte und regelmäßig von ihm gerettet werden musste. Eine eindeutige Beziehung war jedoch tabu; der Held durfte auf einen Vamp hereinfallen, aber mit seinem wahren Love-Interest kam er erst am Ende der Serie zusammen. Ihre Gegenspieler waren eindimensional ›böse‹ ohne irgendwelche Grau-Schattierungen.
Als typisches Kind dieser Zeit sollte man »Storm« unter den entsprechenden Gesichtspunkten betrachten und keine Vergleiche mit den heutigen Comics anstellen, die an ein jüngeres Publikum adressiert sind, das damals noch gar nicht auf der Welt war. Natürlich sind die Klischees sattsam bekannt, vieles wirkt simpel und antiquiert – aber unterscheidet sich »Storm« wirklich so sehr von den aktuellen Titeln, die oft auch nur die alten Motive aufgreifen und seit einer geraumen Weile deutlich reaktionär sind (deprimierende Endzeit-Szenarien, die furchtlose Amazone, die zum Heimchen am Herd mutiert, kaum dass sie einen Mann sieht, Bösewichter/konkrete Feindbilder, die einen starken Mann verlangen, der sie vernichtet usw.)?

Erfreulicherweise spielt Rothaar nicht immer das hilflose Mädchen (sonst wäre sie eine Blondine...), sondern greift aktiv in die Geschehnisse ein. Sie gibt nicht auf, befreit sich aus eigener Kraft, hilft Storm, auch wenn er letztlich alles wieder unter Kontrolle bringt, um das Macho-Ego zu pflegen.
Überdies wird Storm immer wieder Opfer der Bösewichter, aber nur weil sie sich unfairer Mittel und überlegener Waffen bedienen. Das Eingreifen Dritter oder der glückliche Zufall erlauben es ihm, sich zu befreien und die Gegenspieler zu besiegen. Dabei ist er jedoch nie unnötig grausam; die Drecksarbeit erledigen andere.
Diese Helfer wiederum haben ein plausibles Motiv, denn sie wurden – wie in Band 3 – entführt, modifiziert, zu Sklaven gemacht. Die skrupellosen Wissenschaftler, die nur für ihre Forschungen und den Ruhm leben, und ihre Handlanger, die auf den schnellen Profit aus sind, bekommen für ihre Untaten die wohl verdiente Strafe.
Das alles wird in einer schnörkellosen Handlung und einer klaren, direkten Sprache geschildert. Zusammen mit Storm bestaunt man eine fremde, gefährliche Erde, die einen Mix aus SF und Fantasy bietet, und erkennt früh, worauf die Geschichte hinauslaufen wird. Das Spannende ist, wie Autor und Zeichner dies bewerkstelligen und mit welchen unerwarteten Wendungen sie das Ziel erreichen.
Die gemalten Illustrationen von Don Lawrence sind ein echtes Highlight. Man wird nicht müde, die Panels zu betrachten, erfreut sich an der kleinen Galerie im Anhang und dem herausnehmbaren Farbdruck. Der Künstler verstand zu malen – und brauchte weder PC noch Rasterfolie! Vergleichbares sieht man heute so gut wie gar nicht mehr. Außerdem strahlen diese Bilder eine unvergleichliche Atmosphäre aus, die man bei den Fließband-Motiven aus dem PC vermisst. Ob man mit einem Comic, der rund 30 Jahre alt ist, etwas anfangen kann oder nicht, diese Zeichnungen machen die Reihe zu einem Hingucker, der sich von den durchschnittlichen US-Comics, Mangas und Francobelgiern abhebt.

»Storm« ist ein Comic-Klassiker, der die älteren Leser an die ›gute, alte Zeit‹ erinnert und dem jüngere Publikum verdeutlicht, dass Zeichenprogramme und Rastefolien keine Allheilmittel sind. Die Kids werden es zwar kaum glauben wollen..., aber die reiferen Fans und Sammler dürften glücklich sein über diese großartigen Alben des Splitter-Verlags, die neben dem Comic viele Hintergrundinfos und weitere Extras bieten.
»Storm« – einfach super!