Fairest 1: Wachgeküsst (Comic)

Bill Willingham & Matthew Sturges
Fairest 1
Wachgeküsst
(Fairest 1-7, 2012)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Zeichnungen von Phil Jimenez, Andy Lanning, Steve Sadowski u.a.
Panini, 2013, Paperback, 160 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86201-492-7

Von Christel Scheja

Die Serie „Fables“ hat mittlerweile einen ähnlichen Kultstatus erreicht wie Neil Gaimans „Sandman“. Auch Bill Willingham und Matthew Sturges genießen es, mit klassischen Motiven zu spielen und sie in einen neuen modernen Kontext zu bringen. Dabei erschufen sie ein ganz eigenes Universum, das nicht nur Raum für andere Künstler bot, sondern auch noch in andere Richtungen erweiterbar war.

Nachdem nun die Nebenserie „Jack of Fables“ abgeschlossen ist, wendet man sich dem schönen Geschlecht zu. In „Fairest“ stehen nun die Prinzessinnen und anderen besonderen Damen des Märchenreichs im Mittelpunkt.

Briar Rose alias Dornröschen wurde als Geheimwaffe in das Imperium geschleust, um in dessen Herzen die Armeen auszuschalten. Der Plan ging auf, als sich die Prinzessin wieder einmal in den Finger stach – sie und alle um sie herum fielen in einen tiefen Schlaf. So konnte der Feind endlich besiegt werden; aber Dornröschen rettete man nicht, bekamen es die Fables doch schon bald mit einem noch schlimmeren Feind zu tun. In den Ruinen des Kaiserreiches streichen nun andere umher, die sich Profit erhoffen. Unter ihnen ist Ali Baba, der König der Diebe, charmant, frech und lebenslustig. Er nimmt die Einladung eines Dschinn an, das Wertvollste zu finden, das es in diesem Reich gibt und erweckt so nicht nur Dornröschen, sondern auch die Schneekönigin wieder.

Natürlich kennt auch er die Geschichte von Briar Rose und weiß, dass sie jetzt eigentlich ihm gehört, aber die Prinzessin ist mittlerweile so selbstbewusst, dass sie auf die Regeln des Spiels pfeift – auch wenn Ali und sie einander noch brauchen, denn die Schneekönigin ist auch nicht gerade gut gelaunt. Schließlich gilt es auch, sich ganz persönlichen Feinden zu stellen, denn Briar Rose hat endlich genug, sich von dem Fluch ärgern zu lassen. Und da ist auch noch Lamia, die männermordende Schöne, die in einem Crime-Noir-Szenario eine Spur aus Leichen hinterlässt und doch einen hat, der in allen Zeiten zu ihr steht – das Biest.

Künstlerisch wie inhaltlich steht „Fairest“ den „Fables“ in nichts nach. Die Zeichnungen und Farbgebung sind erstklassig und erzeugen Stimmung und Dynamik in den actionreicheren Szenen, helfen dabei, das Kino im Kopf einzuschalten und sich ganz in die Welt der Märchen fallen zu lassen.

Inhaltlich wartet die Geschichte mit vielen Überraschungen auf. So erfährt man nicht nur mehr über die Vergangenheit der Helden, es kommt auch in der aktuellen Handlung zu Entwicklungen, die am Anfang nicht abzusehen waren. Das Ganze wird mit einem guten Schuss Humor und viele Anspielungen auf die Mutterserie und das reale Leben garniert. Auch die Charaktere wissen zu gefallen. Briar Rose und die Schneekönigin sind keine dankbaren Prinzessinnen, die ihrem Retter zu Füßen fallen. Stattdessen wissen sie ganz genau, was sie wollen und zeigen dem typisch südländischen Macho schnell, dass sie sich auch wehren können. So gibt es aufgrund der vielen Streitereien immer wieder etwas zu schmunzeln. Geschlechterklischees und Märchenmotive werden dabei munter auf den Kopf gestellt und ins Gegenteil verkehrt. Spannung entsteht natürlich auch durch Dornröschens persönlichen Groll auf eine gewisse Fee – und damit schließt sich zudem die Verbindung zu den immer wieder eingestreuten Rückblicken. Die Lamia-Episode kann da nicht ganz mithalten, besitzt durch den Crime-Noir-Stil aber eine ganz besondere Atmosphäre.

Alles in allem ist „Fairest“ eine runde Sache, die vermutlich nicht nur „Fables“-Fans gefallen wird. Auch hier präsentieren die Macher spannende Geschichten mit einem stimmungsvollen Ambiente, die sich selbst nicht ganz ernstnehmen und vor allem mit sympathisch lebendigen Figuren punkten können.