Nalini Singh: Engelskuss – Gilde der Jäger 1 (Buch)

Nalini Singh
Engelskuss
Gilde der Jäger 1
(Angels’ Blood. A Guild Hunter Novel, 2009)
Aus dem Amerikanischen von Petra Knese
Titelgestaltung von HildenDesign, München unter Verwendung von Motiven von Shutterstock
Lyx, 2010, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 416 Seiten (plus 10 Seiten Leseprobe aus Jacquelin Franks „Schattenwandler: Jacob“), 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8274-5

Von Irene Salzmann

Erzengel haben die Welt unter sich aufgeteilt und kontrollieren durch ihre Diener, die Vampire, die Menschen. Um Übergriffe zu verhindern, hat die Gilde der Vampirjäger ein Auge auf vertragsbrüchige und abtrünnige Blutsauger. Elena Deveraux ist eine der besten Jägerinnen.

Als der Erzengel Raphael sie anheuern will, ist sie alles andere als begeistert darüber. Niemand, der bei klarem Verstand ist, lässt sich mit diesen mächtigen Wesen ein, die nur nach ihren eigenen Regeln handeln und gnadenlos strafen, aber da er ihre Freunde unter Druck setzt, um Elena zur Kooperation zu zwingen, hat sie keine andere Wahl.
Auch der Auftrag gefällt ihr überhaupt nicht: Statt eines Vampirs soll sie einen abtrünnigen Erzengel aufspüren, der verrückt geworden und zum Massenmörder geworden ist. Tatsächlich verfügt Elena über die einzigartige Gabe, Vampire wittern zu können – und Erzengel. Allerdings hält Raphael viele Informationen zurück, die nicht unter den Menschen verbreitet werden sollen, was Elenas Arbeit erschwert.
Damit nicht genug kann sie sich kaum der Faszination entziehen, die von diesem schönen und zugleich furchtbaren Mann ausgeht. Trotz ihrer Angst und dem Wissen, dass er sie jederzeit töten kann, gibt Elena nicht klein bei, wahrt Distanz und schießt sogar auf Raphael, als es scheint, als habe er die Kontrolle über sich verloren. Ist das nun Elenas Ende?

Nach Vampiren, Werwölfen, Walküren, Drachen und, und, und … haben die Autoren der Romantacy nun die Engel entdeckt. Nalini Singh kombiniert sie munter mit den immer noch populären Blutsaugern und verleiht diesen nebenbei wieder eine neue Entstehungsgeschichte.
Hat man nach ihrer „Gestaltwandler“-Serie, die dem Genre SF angehört, erwartet, dass die Autorin auch diesmal ein interessantes Gesellschaftssystem als Grundlage schaffen würde, sieht man sich schon nach wenigen Seiten getäuscht. Die Ansätze sind vorhanden, werden aber – zumindest in diesem Band – nicht ausgeführt. Das ist sehr schade, denn Nalini Singh kann mehr, als triviale Liebesromane schreiben.
Die „Gilde der Jäger“-Romane sind in der nahen Zukunft angesiedelt und basieren auf einer Hierarchie mit den Erzengeln an der Spitze, gefolgt von den Engeln, Vampiren und Menschen. Raphael ist der Herrscher New Yorks. Er lebt bereits seit mehreren Jahrhunderten und hat in all diesen Generationen schreckliches durchgemacht und auch getan. Von den Menschen hat er sich entfremdet; diese kurzlebige Spezies ist kaum mehr als ein Spielzeug. Seine Einstellung ändert sich erst, als er Elena begegnet, die kein Spielzeug sein will, sich gegen seinen Willen auflehnt und dann doch in einer seiner dunkelsten Stunden zu ihm steht. Weite Teile der Handlung werden durch das Hin und Her der beiden Hauptfiguren bestimmt. Sie begehren einander, aber Elena macht es Raphael und anderen Verehrern (eigentlich: Bedrängern) nicht leicht. Darüber rückt ihr Auftrag in den Hintergrund, und es vergehen über 200 Seiten, bis sie endlich mit ihrer Jagd auf den Blutengel beginnt, die immer wieder durch erotische Intermezzos unterbrochen wird. Irgendwann nerven die Wiederholungen, wie toll Raphael aussieht, wie schön seine Flügel sind, wie lang sein … Die Wortwahl ist mitunter etwas derb, aber diese Ausdrücke gelten ja seit ‚geil’ & Co. als gesellschaftsfein.
Am Schluss gibt es eine dicke Überraschung, die in einem Buch, das SF-, Fantasy- und Horror-Elemente vermischt und dennoch mehr ein Liebes- als ein phantastischer Roman ist, nicht wirklich verblüfft. Die Weichen für das Kommende werden gestellt – entweder mit Raphael und Elena in den Hauptrollen oder mit jemand anderem, denn es wurde eine hinreichende Zahl attraktiver Engel und Vampire eingeführt.
Natürlich wirken sich die Schwerpunkte auch auf die logischen Zusammenhänge aus. Nur tröpfchenweise erfährt man mehr über die Hierarchie, wie Vampire und Engel erschaffen werden – und viele düstere Geheimnisse müssen bis zu den nächsten Bänden warten. Vielleicht besinnt sich die Autorin in diesen auf ihr wahres Können, arbeitet ihre Dystopie aus und offeriert mehr Phantastik.

„Engelskuss“ wendet sich an Leserinnen, die Romantic Fantasy der deftigeren Art im Stil von Lara Adrian, Katie MacAlister oder Mary Janice Davidson schätzen, und die Zielgruppe wird auch bestens unterhalten. Die Freunde der Phantastik hingegen finden nur bedingt, was sie suchen. Tatsächlich hätte Nalini Singh sehr viel mehr aus dem Thema machen können.