Meisterdetektive 3: Sherlock Holmes und die Tochter des Henkers, Alisha Bionda (Hrsg.)

Meisterdetektive 3
Sherlock Holmes und die Tochter des Henkers
Alisha Bionda (Hrsg.)
Titelbild und Innenillustrationen von Crossvalley Smith
Fabylon, 2012, Paperback, 200 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-927071-77-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Einmal mehr hat Alisha Bionda gerufen, und Autoren aller Couleur haben geantwortet. Vorliegend aber ist es keine Anthologie im gewohnten Format geworden. Stattdessen hat die Herausgeberin ihren Autoren Vorgaben gemacht. Zum einen mussten sich die Verfasser zu Pärchen zusammentun, zum anderen übernahm jeder der jeweiligen beteiligten Autoren einen der beiden Ermittler und schildert die Vorfälle aus der Sicht von Holmes beziehungsweise von Dr Watson. Das war zumindest für mich neu und bringt frischen Wind in die bekannten Welten des Meisterdetektivs und seines Freundes. Nur vier – dafür längere – Novellen erwarten den Leser.

Zunächst lösen Desirée & Frank Hoese das „Rätsel des Rad fahrenden Affen“. Eine Reihe von ebenso perfekt wie mysteriös ausgeführten Diebstählen hält unsere beiden Ermittler auf Trab. Wie nur hat der Dieb es geschafft, selbst beste Sicherheitsvorkehrungen auszuschalten und die wertvollen Präziosen aus dem sie schützenden Safe zu stehlen? Die Ermittlungen führen Holmes und Watson auf die Spur eines Zirkus’ und an die Stadt an der Seine.

Die Novelle bietet sich relativ geradlinig dar. Die Autoren spielen dabei geschickt mit dem Wechsel der Erzählperspektive, bieten dem Leser eine interessante Suche nach dem who and how did it an.

Tanya Carpenter und Guido Krain nehmen sich dann einer Mordserie in einem Heilbad an. In „Holmes und die Selbstmörder von Harrogate“ ereilt einer ganzen Reihe von honorigen Kurgästen immer im gleichen Zimmer des Kurhotels ihr Schicksal. Von eigener Hand, mehr noch, immer mit derselben Tatwaffe setzen sie ihrem Leben ein Ende – und das, obwohl Scotland Yard die Pistole immer wieder in der Asservatenkammer sicher verstaut. Während Holmes sich als Kurgast von den zierlichen gewachsenen, attraktiven Therapeutinnen des Hauses verwöhnen lässt, darf Watson als Arzt die Gebrechen der Linderung suchenden Gäste betreuen…

Vorliegend geht es in erster Linie um das intelligente Spiel der Auflösung der Verbrechen. Wie wurden diese begangen, was steckt als Motiv hinter den vorgetäuschten Selbstmorden, wie kommen Holmes und seine Freund dem Täter auf die Spur. Dass es den Verfassern hier gelingt, den Bogen zu einem alten Widersacher Holmes zu schlagen, erhöht die Spannung weiter.

Ante Ippensen und Margret Schwekendiek berichten uns in „Die Tochter des Henkers“ von eben dieser, die Holmes um Hilfe nach dem Ableben ihres Vaters, der als Henker von London gearbeitet hat, bittet. Vermeintlich ist der Mann seiner Trunkenheit zum Opfer gefallen, in die Themse gestürzt und ertrunken. Erst dem energischen Eingreifen und den Ermittlungen von Dr. Watson ist es zu verdanken, dass Watson mit nur ein ganz klein wenig Hilfe von Holmes das Rätsel lösen kann.

Anders als die ersten beiden Beiträge, die sich auf die Aufklärung der Verbrechen konzentrierten, nutzen die beiden Autorinnen ihre Novelle auch dazu, uns die Zeit der Handlung ein wenig näherzubringen. Geschickt fügen sie dem Plot Informationen zur Bewegung der Suffragetten an, berichten vom mutigen Kampf der Frauen um Gleichberechtigung und der alltäglichen Diskriminierung der Frauen, die allein für das häusliche Wohl ihrer Männer verantwortlich sein sollen. Hier gesellt sich viel historisches Flair zu der Handlung, die uns zudem einen aktiven und gewieften Dr. Watson offeriert.

Erik Hauser & Oliver Plaschka schließen mit „Die Wahrheit über Sherlock Holmes“ dann den Band ab. In einer geretteten Korrespondenz von Dr. Watson, seines Zeichens Leiter einer geschlossenen Anstalt für psychisch gestörte Menschen, und Conan Doyle, macht er uns mit einem seiner interessantesten Patienten, einem gewissen Holmes bekannt. In dessen Wahnvorstellungen steuert die Welt aufgrund geschickter Einflussnahme eines genialen Masterminds namens Moriaty auf zwei desaströse Kriege zu.

In der wohl gelungensten und beeindruckendsten Geschichte des Bandes nähern sich die Autoren ihrem Erzähler aus gar ungewöhnlicher Richtung. So hat man den genialen Detektiv bestimmt noch nie beschrieben – wobei die Verfasser hier vieles nur andeuten, immer der Zweifel bleibt, ob es sich bei dem Insassen wirklich um einen krankhaften Geist oder um ein ermittelndes Genie handelt.

Den Novellen vorangestellt wurde jeweils, wie bei den Anthologien von Alisha Bionda inzwischen gängige Übung, jeweils eine Originalillustration.